„Doomboy“ ist eine Graphic Novel von Tony Sandoval, die in diesem Jahr erstmals auf Deutsch erscheint und auf fantasievolle Weise Musik und Zeichnung verbindet. Die Geschichte von D., dem langhaarigen und jugendlichen Protagonisten, führt in eine abgelegene Küstenregion voller verborgener Abenteuer.
Wer ist „Doomboy“?
D. führt das typische Dasein eines musikbegeisterten Teenagers. Neue Alben hören, auf Konzerten abhängen, eine Band suchen: das sind die wesentlichen Lebensinhalte, die auch sein Freundes- und Bekanntenkreis teilt. Schule und Lohnarbeit sind in dieser Geschichte bloße Nebensächlichkeiten, die nur ganz selten überhaupt erwähnt aber nie gezeigt werden.
Dies verleiht der Graphic Novel eine entspannende aber auch melancholische Atmosphäre. Die Figuren leben scheinbar in den Tag hinein, sind beinahe erwachsen, haben aber noch keine Klarheit darüber, was sie mit ihrem Leben anfangen wollen.
So verfolgt D. anfangs das Ziel, ein angesehener Musiker zu werden, ohne aber genau zu wissen warum er das eigentlich will. Erst als seine Freundin Anny stirbt, entsteht in ihm ein tieferes Verlangen, sich durch seine Musik auszudrücken.
Doch er bleibt dabei für sich. Nur von seinem Freund Sep begleitet, spielt er Doom-Metal-Sessions am Strand und schickt diese über ein altes Funkgerät in den Äther, in der Hoffnung damit Anny zu erreichen.
Ohne dass D. es weiß, können die Songs über das Radio gehört werden, wodurch Doomboy zu einer lokalen Sensation wird und Ereignisse in Gang geraten, die sich zunehmend außer seiner Kontrolle befinden.
Zwischen Bild und Ton
Tony Sandoval setzt mit dieser Graphic Novel dem Doom Metal ein kleines Denkmal. Die Töne setzt er dabei in Form der Bilder in Szene, die D. mit den Klängen assoziiert. Maritime Motive, nordische Krieger, aber eben auch die Gestalt der verstorbenen Anny, seiner verlorenen Liebe, erscheinen ihm am Strand.
Trotz der überzeichneten Darstellung der Figuren wirken diese nie lächerlich. Bemerkenswert sind die Größenunterschiede zwischen den Figuren, die weniger auf einen Altersunterschied, sondern eher auf Selbstbewusstsein und innere Werte zu verweisen scheinen.
Auf Referenzen zu bekannten Bands wird gänzlich verzichtet, aber nebenbei SOLITUDE AETURNUS, WHILE HEAVEN WEPT oder WINDHAND anzuschalten, kann sicher nicht schaden. Wer tatsächlich ganz unbedarft und ohne Genrekenntnisse zu diesem Buch greift, mag durch die entsprechende Musik besser in die Handlung eintauchen können. Notwendig ist dies allerdings nicht, da die melancholische Stimmung auch allein durch die Bilder und vor allem die Dialoge transportiert wird.
„Doomboy“ ist eine Coming-of-Age-Geschichte, in der Tod, Scham und Schuld im Vordergrund stehen. Dabei geht es nicht nur um die Trauer von D. um Anny, sondern auch um die inneren Konflikte anderer Figuren. Die Unfähigkeit, sich selbst auszudrücken – was D. schließlich durch seine Musik gelingt – oder zu sich selbst zu stehen, belastet auch andere Figuren der Graphic Novel.
Dabei verzichtet Tony Sandoval auf offensichtliche Ratschläge oder Weisheiten. Einige Figuren bleiben am Ende nachdenklich oder gar ratlos. Auch D. findet zwar Frieden, bleibt in Gedanken aber bei der toten Anny. „Doomboy“ ist ein Ausschnitt, die halb-legendäre Geschichte, die man sich nach den Sommerferien erzählt oder im hohen Alter wieder durch den Kopf gehen lässt.
Bilder zum Versinken
„Doomboy“ ist nicht nur für Metal-Fans interessant, bietet für diese aber natürlich einige interessante Anknüpfungspunkte. Verbundenheit kommt bereits auf den ersten Seiten auf, wenn D. sich mit seinen Freunden Sep und Spaghetti trifft, um auf ein kleines Underground-Konzert zu gehen.
Außerdem ist es es angenehm, dass nicht auf das ansonsten gängige „Hohl-im-Kopf-das-Herz-aber-am-richtigen-Fleck“-Klischee zurückgegriffen wird, das seit „Wayne’s World“ durch die Popkultur geistert, wenn Metalheads dargestellt werden. Die Figuren in „Doomboy“ sind keine Abziehbilder, sondern glaubwürdige und ganz unterschiedliche Gestalten.
Die Graphic Novel steckt voller Details und interessanter Dialoge, die nachdenklich machen. Dadurch gewinnt sie immens an Wiederlesewert und wirkt auch dann noch frisch und verträumt, wenn man sie nach einiger Zeit wieder aus dem Regal zieht.
Die Geschichte von „Doomboy“, die Bilder mit denen sie erzählt wird, laden zum Versinken und Nachdenken ein. Teilweise ist die Handlung bitter, aber am Ende doch auf magische Weise schön. In diesem Punkt kommt die Graphic Novel der Musik, Doom Metal voran, äußerst nahe.
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