Tomb Mold - The Enduring Spirit

Review

Der Old-School Death Metal scheint eine ähnlich zeitlose Entität zu sein wie die unaussprechlichen Schrecken des im Metal so oft besungenen bzw. beschworenen Lovecraft-Mythos. Auch wenn es Bands gibt, welche die gefühlt unendlichen Weiten des Todesbleis versuchen, durch Technik, Progressivität oder andere Tricks zu durchdringen, so bleibt die alte Schule doch eine Konstante, mit der stets zu rechnen ist und welche nun mal auch stets angemessenen Andrang findet. Das bedeutet nicht, dass Huldiger dieser Kunst nicht doch einmal etwas kreativer werden dürfen, gerade wenn die Kunst dann doch ihre Abnutzungserscheinungen zeigt. Die kanadischen Elchumschmeißer TOMB MOLD jedenfalls haben diesen Schritt gewagt.

TOMB MOLD wagen den Griff in die Trickkiste

Hier ist ein Name, der bei Diskursen über zeitgenössischen Death Metal immer mal wieder durch den Äther geistert. Die gerade mal 2015 gegründeten TOMB MOLD haben 2017 beginnend drei Alben in drei Jahren veröffentlicht, zuletzt „Planetary Clairvoyance“ von 2019. Da wirken die vier Jahre, die es bis zur Veröffentlichung des nun vorliegenden, vierten Albums „The Enduring Spirit“ gedauert hat, fast schon wie eine Ewigkeit. Dazwischen kam noch einmal eine EP namens „Aperture Of Body“, doch was Langspieler anging, so hielten sich die Herren aus Ontario bedeckt – bis jetzt! Nachdem in solch einem Stechschritt drei Langeisen veröffentlicht worden sind, setzt man als Hörer schon gewisse Erwartungen an das nun mit einiger Verzögerung erscheinende Neuwerk.

Die beiden geschätzten Vorredner konstatierten zu den jeweiligen Vorgängern „Manor Of Infinite Forms“ und dem bereits erwähnten „Planetary Clairvoyance“ eine Songwriting-Schwäche im Falle des erstgenannten, ein Mangel an Alleinstellungsmerkmalen im Falle des letztgenannten. Diese beiden Probleme sind nun mit dem neuen Werk adressiert worden. Wie angedeutet haben die Kanadier dafür den Blick über den OSDM-Teller gewagt. Ihre Einflüsse, die in den erwähnten Besprechungen mehrfach referenziert wurden, sind zwar auch heuer noch deutlich hörbar. Aber dem fügen die Kanadier jetzt eine freizügige Prog-Komponente hinzu, die ordentlich songschreiberischen Pepp in die Buxe bringt und die Band offenbar zugleich zu einigen ihrer evokativsten Riffs inspiriert hat.

„The Enduring Spirit“ demonstriert die Magie des Riffs

Die beiden eröffnenden Tracks „The Perfect Memory (Phantasm Of Aura)“ und „Angelic Fabrications“ waten vermeintlicherweise in traditionelleren Gewässern, doch der progressivere Charakter macht sich schnell bemerkbar anhand der agilen Riffs der Saitenfraktion Payson Power/Derrick Vella. Dieser kam bei den Vorgängern ja schon immer ein bisschen zum Vorschein, doch die Kanadier machen sich diesen nun konsequenter zu eigen. Was diese Stücke noch zeigen, ist ein dazu passendes, komplexeres Songwriting. Zumindest „The Perfect Memory“ fordert einige Durchläufe, während „Angelic Fabrications“ kurz und knackig übers Ziel trümmert. Das ist schon ziemlich gut, möglicherweise mit einigen DEATH-Verweisen hier und da. Später schlägt das wüste „Flesh As Armor“ noch einmal in diese Kerbe.

Doch dann öffnet der dritte Song „Will Of Whispers“ mit einer geradezu entspannten Fusion-Einlage, die aus dem Fundus des MAHAVISHNU ORCHESTRAs entlehnt sein könnte, gefolgt von einigen Riffs, die fast so klingen als wollten YES Death Metal spielen. Diese Verweise gen klassischen Prog respektive Fusion tauchen gegen Ende des Tracks wieder ziemlich deutlich auf und untermauern das mit wirklich ergreifenden, perlenden Gitarrenspitzen. Zwischendrin lassen TOMB MOLD sogar mal eine Symbiose mit der Death-Metal-Komponente zu, die unsereins so nicht erwartet hätte, die sich aber auszahlt. Jubilierende Licks kehren um die Halbzeitmarke des folgenden „Fate’s Tangled Thread“ abermals zurück. Drum herum brennt die Gitarrenfraktion ein beeindruckendes Tech-Feuerwerk ab und jagt den Hörer von Motiv zu Motiv.

Das Risiko hat sich für die Kanadier ausgezahlt

Wieder facettenreicher gestaltet sich der elfminütige Quasi-Titeltrack „The Enduring Spirit Of Calamity“. Auch hier blühen zu Beginn wieder für den Todesblei unerwartet lebhafte, ja fast schon lebensbejahende Melodien auf, nur um im folgenden Motiv wieder gekonnt mit der Axt niedergefällt zu werden. Im weiteren Verlauf gesellen sich Elemente, die fast als Göteborg-Huldigung durchgehen könnten, hinzu, bevor der Song kurz vor der Halbzeitmarke in einen ausgedehnten, lautmalerischen Instrumental-Part übergeht. Hier scheint ein FLOYDiger Charakter durch, damit einhergehend sicher auch das Klischee des (hier) vierminütigen Solos. Aber es fällt eben auch schwer, da wegzuhören, so mitreißend die Gitarren hier regelrecht singen. Und mit einem Sahnigen Übergang kehrt der Song dann wieder zu seinem Ausgangspunkt zurück.

Es gibt im Grunde nur zwei kleine Kritikpunkte. Drummer und Sänger Max Klebanoff leistet hervorragende Arbeit an der Schießbude, schnürt dem Sound ein paar nette, nicht zu spacke Grooves, wobei er die Straffheit an den Passenden Stellen anzieht, etwa bei den markigen Grooves von „Angelic Fabrications“ oder generell bei „Flesh As Armor“. Seine Growls dagegen sind eher monoton. Sie sind weißgott kein Dealbreaker, zumal die Kanadier so viel Leben in den Sound von „The Enduring Spirit“ gesteckt haben. Das Zweite ist, dass die eklektischen Ambitionen der Kanadier gegen Ende von „Servants Of Possibility“ übers Ziel hinaus schießen, wenn zwei Motive erklingen, die nicht den Eindruck erwecken, als wären sie aufeinander abgestimmt. Hier haben die Kanadier offenbar versucht, was gen Ende von „Will Of Whispers“ schon mal funktioniert hat, aber es klingt eher unausgegoren.

Damit haben sich TOMB MOLD möglicherweise eine Tür voller kreativer Möglichkeiten geöffnet …

Abseits dessen ist dem Trio aber eine beeindruckende Verwandlung gelungen, von der beinharten Old-School-Kombo hin zur deutlich dynamischer aufspielenden Death-Metal-Band, deren progressive Ambitionen auf „The Enduring Spirit“ überzeugend realisiert worden sind und in einem Album resultieren, in dem man mit jedem Durchlauf immer wieder neue Facetten entdecken kann. Es gibt tatsächlich online schon Unkenrufe ob der Entwicklung der Band. Da lässt sich jetzt viel hinein philosophieren angesichts der Frage, ob eine Band an ein Genre gebunden sein muss und nur „Auftragsarbeiten“ für ihre Fans einklöppeln darf. Es gibt keine richtige Antwort darauf, zumal ein solcher Entwicklungsschritt oft genug auch nach hinten losgeht. Im Falle TOMB MOLD kann jedoch Vollzug gemeldet werden!

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09.10.2023

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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17 Kommentare zu Tomb Mold - The Enduring Spirit

  1. destrukt. sagt:

    Den Sprung, den Tomb Mold von „Planetary Clairvoyance“ zur „The Enduring Spirit“ vollzogen haben, ist vergleichbar mit der Entwicklung von Decrepit Birth zwischen „… and Time begins“ und „Diminishing Between Worlds“. Der Vergleich drängt sich mir nicht zuletzt auch deswegen auf, da ich hier auch den ein oder anderen DB-Moment hinsichtlich des Gitarrenklangs wahrnehme. Das Riffing von Tomb Mold war zudem auch schon auf beiden Vorgängern deutlich komplexer und technischer, als es deren carvernöses Klangbild suggeriert, von demher kann man die Entwicklung schon auch irgendwo nachvollziehen. Es ist zweifelsohne nicht das, was ich mir von Tomb Mold gewünscht hätte, aber nach mehrmaligem Hören läuft mir diese Mischung aus King Crimson, TSoA-Ära Death und Afterbirth ganz wunderbar rein.

    8/10
  2. Purple_Jesus sagt:

    Herrlich. Das Album kam unverhofft in meine Musikvorschläge auf Apple Music. Da mir beide Vorgängeralben taugten, habe ich mal reingehört und wurde umgehauen. Finde die Entwicklung der Band echt Beachtenswert. Vinyl wurde geordert und müsste die Tage ankommen.

    8/10
  3. ClutchNixon sagt:

    Punkte vergebe ich keine, war ich doch auch bereits nicht wirklich Freund der Vorgängeralben. Das pseudo-progressive Gerumpel hier, kann mir jedoch nicht mal mehr ein Kopfnicken abringen. Furchtbar.

  4. Watu sagt:

    Ein Träumchen! Objektiv gesehen ist es vielleicht nicht das beste DM Album in diesem Jahr, für mich aber in jedem Fall! :))
    Manchmal stimmen die einzelnen Elemente einfach perfekt mit den persönlichen Vorlieben überein und Konsolidieren sich zu einem Album, in das ich mich am liebsten reinlegen möchte, auch wenn dann wahrscheinlich nicht viel von mir übrig bleiben wird. Sagenhaft, wie das brutale Gebolze ganz plötzlich in Pink Pfloyd artige Universen abdriftet und dabei keinen Deut an Authentizität verliert. Dazu gesellt sich ein progressive Verspieltheit, die niemals überhand nimmt und den oftmals bekannten, etwas festgefahrenen Morast vieler anderer DM Alben schlichtweg sprengt. Ich muss allerdings dazusagen, dass ich die alten Alben vonTomb Mold nicht kenne und daher mit der Entwicklung der Band möglicherweise weniger Probleme habe. Für mich das DM Album des Jahres, charmant, brachial und überaus intelligent!

    9/10
  5. metal-maniac sagt:

    Ja, Tomb Mold ist so ein Name, der mir in letzter Zeit häufiger unterkommt. Habe mich jetzt mehrmals versucht in die Platte rein zu hören (Vorgänger kenne ich nicht) aber das lässt mich insgesamt doch recht ratlos zurück.

    Die Scheibe weiß immer mal wieder mit tollen Parts zu begeistern, gerade wenn sich die Musik von der reinen Death Metal-Lehre weg bewegt. Aber insgesamt fügt sich da bei mir kein Gesamtbild zusammen, nicht mal bei einzelnen Songs. Da wird Part an Part gefrickelt ohne dass es am Ende irgendwie schlüssig klingt. Ich muss dazu sagen, dass ich generell kein Fan von all zu progressiver Musik bin und vielleicht muss man selbst Musiker sein um das richtig verstehen zu können aber das klingt zu sehr nach eine Menge guter Ideen zusammenwürfeln und hoffen, dass am Ende etwas dabei raus kommt.

    Bewertung spare ich mir, zweifelsohne haben die Musik hier durchaus was zu bieten. Klingt für mich trotzdem wie ein großes Durcheinander.

  6. destrukt. sagt:

    Ja, die Platte braucht Sitzfleisch. Brauch selbst manchmal nen direkten 2. Hördurchgang um nochmal rauszufinden, wieso ich die gut finde. Ich kann aber niemandem verübeln, wenn er die Zeit nicht investieren will, weil ein Essential ist es halt am Ende des Tages auch nicht.
    @Watu: Hör dir mal noch die „Obsidian Refractions“ von CRUCIAMENTUM an. Ich weiß zwar nicht, was dein „Ding“ ist (außer Isengard), aber ich bilde mir ein, das könnte was sein. Hat mit Tomb Mold nichts zu tun, ist aber englische Premiumkost.

  7. Watu sagt:

    „@Watu: Hör dir mal noch die „Obsidian Refractions“ von CRUCIAMENTUM an. Ich weiß zwar nicht, was dein „Ding“ ist (außer Isengard), aber ich bilde mir ein, das könnte was sein. Hat mit Tomb Mold nichts zu tun, ist aber englische Premiumkost.“

    Danke für den Tipp destrukt, das kann schon was! :)) Produktionstechnisch könnte es für mich noch etwas matschiger klingen.
    Mein Ding ist DM der technisch gerne was drauf hat, bis hin zur Progressivität, gleichzeitig aber auch gerade vom Sound her old-schoolig brachial, abgründig und dennoch fordernd ist. Morbids Angels KINGDOMS DISDAINED ist da so das nonplusultra für mich, auch wenn oder gerade weil der Sound hier extrem spaltet.

  8. deadguy sagt:

    Ich warte ja auf einen Kommentar wo er nicht wegen dem Sound rumnörgelt. Ich hätte am liebsten auch den Sound von den ersten Teitanblood Veröffentlichungen, aber ich würde mir ne Platte nicht schlecht machen lassen nur weil sie meinem (Sound-)Ideal nicht entspricht.

  9. Watu sagt:

    Naja ist doch gut für Dich. Für mich ist der Sound halt wichtig, kann man ja auch einfach so akzeptieren, dass jeder nen anderen Fetisch hat und gut ist. Muss man sich ja nicht jedes mal darüber mokieren.

  10. deadguy sagt:

    Weil ich auch „jedes“ Mal was dazu sage, alles klar, mehr brauch ich auch gar nicht wissen.

  11. Watu sagt:

    Mann kann sich auch über etwas mokieren, ohne was zu sagen. ;))

  12. deadguy sagt:

    Das kommt ausgerechnet von dem der andere Meinungen nicht stehen lassen kann und wenn er ein Album schlechter findet als wer anders ihm versucht das einzureden? Ich sag nur Exercises in Futility, wo DU mir meine 10 Punkte ausreden wolltest oder TRoB oder oder.

  13. Watu sagt:

    Haha… ja stimmt, wie konnte ich Exercises in Futility nur so schlecht machen und nur 9 Punkte vergeben. :))
    Eigentlich hast Du ja zu Beginn meine Meinung nicht einfach so stehen gelassen:
    „Und für mich sind Taake nichts besonderes und müssen sich in meinem Haushalt nahezu jeder zweiten Welle Band geschlagen geben.“

    Aber ich finde es auch völlig i.O. so, ist Deine Meinung und es interessiert mich auch diese zu hören und sich darüber auszutauschen.

  14. deadguy sagt:

    Was nicht der Punkt war bzw ist, sondern das derjenige der seine Meinung gerne unkommentiert hätte andere Meinungen kommentieren muss und ihnen seine Sicht aufdrängt.

  15. Watu sagt:

    Bei Exercises in Futility habe ich mich lediglcih auf das vorliegende Album bezogen. Du hast ja ne generelle „Schelte“ oder was das sein sollte, gegen meinen Sound Faible geäußert. Das zu Differenzieren scheinst Du schon zu können, aber ich habe den Eindruck, nicht wirklich zu wollen.

    Wie auch immer, das ist mir gerade zu viel Kindergarten hier. Wenn Du dich von mir unfair behandelt fühlst, dann sorry. Aber dann bin ich mir nicht sicher, ob Internet Foren der richtge Ort für Dich sind.

  16. Watu sagt:

    Persönlich muss ich sagen, dass ich das Album am liebsten über die Anlage höre. Über Kopfhörer brettert mir das Schagzeug das Trommelfell zu Brei, ist mir da etwas zu dominant.

  17. Watu sagt:

    Die Nr. 1 kam, na ja, doch etwas „unerwartet“. ;))
    https://www.treblezine.com/best-metal-albums-of-2023/