Wie sag ich’s meinem Kind?
“Du, Paul… ab jetzt musst du mit Tante Ilse zum Fußball gehen – Papa kommt nicht mehr.“ Nein, das geht nicht – blöder Einstieg, da denkt der arme Paul gleich, seinem Papa sei was passiert. Vielleicht: “Du, Paul… du magst Tante Ilse doch auch sehr gerne – wäre es nicht schön, wenn sie mit dir anstelle von Papa ab jetzt zum Fußball…“
Das ist auch Mist! Da denkt Paul doch, ich hätte was mit Tante Ilse – wie widerlich!
Ich muss ihm gleich sagen, was passiert ist – und warum Papa jetzt erstmal im Hotel wohnt.
Er wird auch Verständnis zeigen, wenn ich ihm den Grund sage – ja, das ist das Beste. Ist ja auch nur als Strafe für Papa gedacht…
“Du, Paul… ich hab Papa für ne Weile rausgeschmissen, weil der mit dieser Platte mit genau diesem unsäglich beschissenen Cover aufgekreuzt ist. Da soll er mal alleine in Ruhe für ein, zwei Wochen drüber nachdenken; das verstehst du bestimmt…“
Holla, die Waldfee! Holy Moly! Dat gibbet sich doch gar nich’! Es gibt gewiss andere Dinge, über die man sich trefflich echauffieren sollte, aber hier geht’s nun mal um Platten und den GANZEN Kram drum herum. Meine Fresse, ist das Cover unterirdisch! Der arme Paul!
Im Ernst: Muss so was heute noch sein? Gut, ist mal was anners als Drachen, Totenschädel, Titten, Comicversionen von Bandmitgliedern oder Eiserne Kreuze, aber wenn man sich das Gerät mal beglotzt, wäre ein vollbusiger Drache mit EK I, der Totenschädel jonglierend den Bandmitgliedern die Fresse poliert durchaus erfreulicher. Vielleicht ist das aber auch Kunst, deren Transzendenz des Immanenten ich gerade übersehen habe…
Das Schöne: Es kommt ja eher auf den Inhalt an. Und gottlob hält die Mucke nicht einmal im Ansatz das, was das Coververbrechen verspricht. TITANS EVEs PowerThrash ist nicht nur sauber produziert, sehr ansprechend umgesetzt, sondern weiß auch aufgrund einfacher, aber dafür umso eingängiger Refrains zu punkten.
Die vier Kanadier können zocken und vor allem die Finger der Gitarreros flitzen über die Griffbretter, dass es eine Art hat. Dabei verzichten sie auf das furztrockene Stakkato-Rhythmus-Geriffe ihrer Landsleute ANNIHILATOR, haben aber einen ähnlich hohen Melodiefaktor. Der geht zwar zu Lasten der Aggression, doch muss Thrash ja nicht immer übermäßig wütend daherkommen um zu gefallen.
Das Material ist durch die Bank abwechslungsreich und strukturiert arrangiert, auch wenn sich bei einigen der Songs die ein oder andere Länge eingeschlichen hat. Klampfer Brian Gamblin weiß zudem als Chef-Shouter zu überzeugen. Wenn’s ein wenig tiefer wird und die Songs treibend (so beispielsweise geschehen bei “Judgement“) erinnert der gute Mann interessanterweise eher an einen Dave Ingram, während bei den Refrains und höheren Lagen der letzte RUNAMOK-Fronter als Referenz angegeben werden kann.
Das Drumming ist stets druckvoll wie gleichsam songdienlich, auch wenn man keinen Mangini, Bostaph oder Lombardo erwarten sollte.
Besonders erfreulich ist, dass TITANS EVE auch bei aller Eingängigkeit immer darum bemüht sind, die Songs nicht alle durch dieselbe Schablone zu pressen.
So geraten “Becoming The Demon“ und das feurige “Tides Of Doom“ zu kleinen Perlen, die sich vor der internationalen Konkurrenz nicht verstecken müssen.
Die Scheibe in ihrer Gesamtheit betrachtet zeigt jedoch auch, dass den Kanadiern noch ein wenig fehlt, um ein eigenständiges Profil zu bieten. Jedoch ist eine Schärfung desselben spätestens beim nächsten Album zu erwarten. Zu gut sind die Anlage, die die Band mit “The Divine Equal“ gezeigt haben. Mit Blick auf das Thrash-Revival, welches eigentlich schon keines mehr ist, kann man sich zudem glücklich schätzen, dass es wieder eine frische Truppe gibt, die sich dem hochmelodischen Ansatz verschrieben hat; die Marschrichtung von SLAYER, EXODUS und DARK ANGEL haben nun genug Nachfolgecombos eingeschlagen.
Für Genrefans ist jedoch eine klare Empfehlung auszusprechen: Jippieh!
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