Die erste Feststellung zu diesem Album wird auch die letzte sein: Das hier ist ein großartiges Album! Jetzt ist es raus – und ich werde zu erklären versuchen, warum dieses kolossale Stück Musik das Zeichen von Göttern trägt.
Zunächst einmal packte mich, als ich mir das Artwork näher anschaute, ein altbekanntes Gefühl: Die Kinder auf den Fotografien weckten in mir den Wunsch, dieses Album habe mit kindlicher Unschuld und der „Tabula Rasa“ zu tun, bevor man das erste Mal in die Welt der Musik eintaucht. Das ist ein Gefühl, das schwer zu erzeugen ist, wenn man älter wird und es kaum noch schafft, sich gänzlich mit naiv ausgestreckten Armen auf neue Klänge einzulassen. Dieses Gefühl im Hinterkopf, schafft es der vorzügliche Rausch THY CATAFALQUEs, durchwoben von industriellem Auftreten in atmender, trostloser Szenerie, die Kinder in der Nähe zu halten, als ob sie am Zaun stünden – starrend mit ihren Ohren, lauschend mit ihren Augen.
Der erste Eindruck der Musik ist unmittelbare Verzauberung, die die mehr als einstündige „Tour de force“ voll grauer Magie und hellen Innovationen anhält. Denn diese Musik trägt einen herzförmigen Speer in sich, dessen Klinge mit Leichtigkeit vernichtende Emotionen aller Art auslöst und die Sinne schärft – so lässt sich auch erkennen, wie THY CATAFALQUE die Fesseln und Grenzen des so genannten Avantgarde Metals hinter sich lassen. Der Kopf des Speeres sind die Gitarren, längsseits befinden sich die verschiedenen atmosphärischen „Instrumente“ ((Moog-)Synthesizer, weiblicher Gesang), geprägt ist der Speer mit großzügigen Happen Dynamik und Glanz: Mal wird es majestätisch, wenn der farbenfrohe Hintergrund anfängt, zu den eindringlichen Melodien zu tanzen; oder er dient den Vocals von Mastermind Tamás Kátai und Attila Bakos – der ein wenig nach Garm klingt – als Gewand, um sie zu betonen; manchmal marschieren Vocals und Musik auch erhobenen Hauptes, wenn ein fast schon klassisches Black Metal-Kampfhorn ertönt. Ein essenzieller Teil der dichten Atmosphäre wird jedes Mall deutlich, wenn der Vorhang fällt und die düsteren Ausschmückungen die Führung übernehmen: Tänzelnde bis eiskalte Glitch Samples tollen zwischen groovigen Jungle-Beats und erwecken damit die Mystik Osteuropas zum Leben. Das Europa der riesigen Ebenen und magischen Wolken, wo Sinti und Roma mit ihren Siedlungen dorthin ziehen, wohin sie die Musik treibt. Es ist daher auch nicht überraschend, dass die Band vom Herzen Ungarns aus arbeitet, wo weite Teile der Folklore traditionell von der Musik der Sinti und Roma beeinflusst sind. Mehr noch, obwohl sie nicht als Folk Metal-Band bezeichnet werden können, schaffen sie es, ein Häppchen ungarischen Gefühls durch die gefühlvolle Verwendung Melodien und weiblichem Gesang.
Der zweite Song, ein zwanzigminütiges Epos mit dem zungenbrecherischen Namen „Molekularis Gepezetek“ stellt die komplexe und vielschichtige Kunst THY CATAFALQUEs in Reinform dar. Dieser Song hat, nun, alles: Frostige Black Metal-Riffs, progressive Basslinien, die von demselben Schreibtisch wie DEATHs „Human“ stammen könnten, wechselnde Rhythmen als ob Metal und elektronische Musik ihr ewige Bruderschaft feiern würden, folkige Momente, die von weiblichem Gesang eine goldenen Nachmittags in ungarischen Ebenen getragen werden. Und als ob das nicht genug ware, enthält dieser Song auch noch eine Verbeugung vor den Weltraum-Ingenieuren von ARCTURUS, salutiert vor den Puppenspielern ANGIZIA und nickt freundlich in die Richtung der ewigen Wölfe ULVER, zollt also allem und jedem Tribut, das oder der den Weg zu diesem fantastischen Album ermöglicht hat. Ein starker Einfluss der genannten ist die Verwendung elektronischer Elemente, die spektakulär und tadellos eingeflochten werden, als ob THY CATAFALQUE Lehrstunden darin geben würden, wie man Sub-Genres kartographiert und ihre Möglichkeiten in den Zaubertrank mischen kann.
Eine Möglichkeit, die Großartigkeit eines Albums zu erkennen, ist die sprachliche Hürde. Ich verstehe kein Wort Ungarisch, aber fühle trotzdem die Botschaft, denn ich nehme ganz stark an, dass die Rolle des Zuhörers bei der Interpretation noch stärker in den Vordergrund tritt, wenn fremde Sprachen beteiligt sind – und je innovativer und ergreifender die Musik ist, desto stärker ist die Fantasie gefordert, um eine ganz eigene Sprache im Geist des Zuhörers zu erschaffen. Der Name „Roka Hasa Radio“ gibt den Hinweis, dass es sich wohl um einen Radiosender handelt, gebündelt in einem Album. Man könnte meinen, dass es sich um das Radio der Menschheit handelt, das Welten um Welten ineinander verschmelzen lässt, sie teilt, sie ohne mit der Wimper zu zucken miteinander mischt und verquirlt. Und trotz des mutmaßlichen Chaos, das dabei entsteht, spürt man die handwerklichen Fähigkeiten der Musiker, die ihr Bestes geben (Balazs Herrmann und Zoltan Konya sind bereits aus Tamas Katais GIRE-Tagen bekannt und bringen an Gitarre und Bass ein wenig dieses Geistes mit).
Um noch einmal auf meine anfängliche Konklusion zurückzukommen und damit eine Zusammenfassung zu wagen: Dieses Album ist ein echtes „Saucerful Of Secrets“ [Anspielung auf das Pink Floyd-Album gleichen Namens – Anm. d. Übers.] und muss daher mit einem gesunden Appetit und einem gerüttelt Maß an Geduld genossen werden, denn es ist ohne Zweifel ein geheimer Schatz, der mit dieser Rezension gehoben werden soll, um dem Hörer eine einzigartige Band näher zu bringen.
Dieses Review wurde im Rahmen der Kooperation zwischen metal.de und Avantgarde-metal.com von AGM.com übernommen.
Das Original-Review, geschrieben von revon, findet sich hier: http://www.avantgarde-metal.com/content/reviews2.php?id=384.
Übersetzung ins Deutsche von Falk
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