Thwart - Once Human

Review

Soundcheck Dezember 2018# 9 Galerie mit 16 Bildern: Thwart - Gamevention 2022

Ich bin ja grundsätzlich immer ein wenig skeptisch wenn von „female-fronted“ Bands in Ankündigungen und Promoschreiben gesprochen wird. Meist ist das Ganze doch mehr Marketing-Gag mit optisch netter Verzierung, um die Aufmerksamkeit ein wenig zu erhöhen, während die Musik meist nicht sonderlich überzeugt. THWART aus der Hauptstadt Deutschlands existieren erst seit letztem Jahr und wollen nun mit ihrem Debüt „Once Human“ (bereits seit August draußen, dieser Tage mit Gordeon Music am 14.12 scheinbar über einen neuen Partner vertrieben) die Wasser testen. Geboten wird laut Eigenaussage melodischer Thrash Metal inspiriert von Bands wie TRIVIUM, TESTAMENT, KREATOR. Also, was kann der junge Fünfer?

THWART spielen trotz Debüt hörbar nicht erst seit gestern

Es muss zu Anfang schon einmal konstatieren, dass den Jungens und der Dame in Sachen Fähigkeiten und zeitgemäßer Produktion nichts vorzumachen ist: Instrumental definitiv Oberliga mit Flitzefinger-Leads, einer überzeugenden und abwechslungsreichen Performance hinter der Schießbude und auch stimmlich lässt der klare Gesang von Secil Sen nichts anbrennen.  Ich bin allerdings immer noch ein wenig im Unklaren darüber, ob das wirklich zu Thrash passt und nicht besser die nächste Symphonic-Band mit Klargesang ausgestattet werden sollte, hat der doch im Thrash eher weniger verloren. Nichts gegen Experimente, aber hier geht das irgendwie nicht ganz auf.

Es werden vereinzelt auch passable Screams (von Frau Sen selbst) und Growls von den übrigen Bandmitgliedern hervorgebracht, was sich etwa die Waage mit den cleanen Vocals hält und somit Abwechslung hinein bringt. Der Sound der Produktion kommt klar, transparent und mit ordentlich Schmackes daher. Hat somit den meisten Debüts definitiv etwas voraus.  Ich würde mal die vorsichtige Vermutung hegen, dass zwei der Musiker (vermutlich Gitarrist und Drummer) einen Background als studierte oder zumindest aber äußerst erfahrene Musiker mit vielen Jahren im Business auf dem Buckel sind. Denn man hört hier definitiv eine eingespielte und sehr fähige Band aus den Songs heraus.

Die oft melodische Gitarrenarbeit lässt definitiv an den einen oder anderen Stellen den Einfluss von Truppen wie TRIVIUM erahnen, ordentlich aufs Fressbrett gibt’s aber zwischendurch auch mal ganz gern („Violent Self“, „Parasite“), zwischendurch gibt es gar Blastbeats. Das aber nie stumpf, sondern immer wieder aufgelockert mit groovigen oder melodischen Breaks in zeitgemäßer und moderner Ausrichtung. Teilweise schimmern in Gesangslinien, aber auch den Gitarrenleads sogar nahöstliche Harmonien durch. Definitiv ein toller Zuckerguss auf die Thrash/Melo-Death-Mixtur.

Gute Musiker allein machen noch keine überzeugenden Songs – „Once Human“ krankt an Länge und zu geringer Hitdichte

Hätten TRIVIUM und ARCH ENEMY zusammen ein Kind mit einer Pulle Bay-Area-Thrash aufgezogen und die Sängerin ausgetauscht, THWART hätte durchaus das Resultat sein können. Die Hitdichte der Eltern wird dabei (noch) nicht erreicht, dazu kommen die meisten Songs von THWART mit in der Regel über fünf Minuten nicht genug auf den Punkt. Nun ist an längeren Thrash-Songs ja grundsätzlich nix verkehrt, in Richtung MACHINE HEAD zu „Imperium“ oder „The Blackening“ Zeiten geht die ganze Chose dann aber (leider) auch nicht.

Man hängt also irgendwo zwischen modern und progressiv ausgerichteten Songs und Dicke-Hose-Thrash. Während erstere definitiv von langen Songs und sich entwickelnden Songs profitieren, ist Thrash im stumpfen, aber effektiven Frontalangriff meist gut aufgehoben. Melodisch und catchy soll es dann auch sein. Das funktioniert in Kombination in den Songs stellenweise recht gut, über Länge dann aber eher weniger. Denn trotz den vielen durchaus songdienlichen Parts und wirklich starken Riffs kommt über Albenlänge kein wirkliches Hochgefühl auf. Man denke zum Beispiel zu den Frühwerken von TRIVIUM, meinetwegen auch LAMB OFGOD oder SYLOSIS zurück: Die mixten ganz grob auch Thrash mit vielen anderen Einflüssen, und dort gab es sehr viel mehr erinnerungswürdige Momente. Mit über einer Stunde an Material aufgeteilt auf 12 Songs wird „Once Human“ öfters mal zur Geduldsprobe, was es eigentlich gar nicht nötig hätte.

Wie in der NOTHGARD-Review bereits erwähnt: Instrumental und technisch ist das alles erste Bundesliga, stark und abwechslungsreich arrangiert, aber der wirkliche Eifer und das Feuer eines Landesligisten, der in die 2te aufsteigen könnte, fehlt hier ein wenig, metaphorisch gesprochen. Es wirkt fast zu professionell und abgeklärt, um irgendwelche Begeisterung bei mir auszulösen.

Würde eine professionelle Top40-Band Metal spielen, so etwas wie THWART käme höchstwahrscheinlich dabei heraus. Freunde von modern angehauchten Thrash Metal, aber auch Metalcore- oder Modern Metal-Freunde, die Thrash nicht gänzlich abgeneigt sind, dürfen ein Ohr riskieren. Patronengurtträger bleiben besser draussen und warten auf die neue SODOM oder NOCTURNAL.

 

30.11.2018

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