Thermohaline - Maelström

Review

Unter dem Projektnamen THERMOHALINE fanden sich 2019 drei Musiker zusammen, die nun mit ihrem Debütalbum „Maelström“ den Kosmos ihres nautisch-avantgardistischen Black Metal, welcher schon die selbstbetitelte EP aus dem vergangenen Jahr prägte, weiter ausdehnen wollen. Dem Trio sind die experimentellen Möglichkeiten innerhalb des schwarzmetallischen Sektors dabei durchaus geläufig, wie das Mitwirken der Beteiligten in diversen, teils recht unkonventionell agierenden Bands (IER, DRUON ANTIGON, UROBOROS) beweist. Dieser Umstand wirkt sich erwartungsgemäß auch auf ihr neuestes Projekt aus. Viel mehr noch: THERMOHALINE lotet die Grenzen des Genres in einem Maße aus, wie man es nur selten zu hören bekommt.

THERMOHALINE umsegeln sämtliche Genre-Konventionen

Das Album Beginn mit verträumt klingenden Gitarren, welche durch die Untermalung in Form peitschenden Windes und knarzender Segel die nautische Thematik auf „Maelström“ frühzeitig erahnen lassen. Sobald der Opener an Fahrt gewinnt, ist erstmals das Akkordeon zu vernehmen, dessen Präsenz sich wohl dosiert wie ein roter Faden durch das Debüt des internationalen Trios zieht. Wer nun jedoch mit einer folkloristischen Ausrichtung im Stile von KORPIKLAANI und Konsorten rechnet, hat weit gefehlt. Vielmehr ist das Grundgerüst von THERMOHALINE eine Mischung aus Blastbeat-geschwängerter Black-Metal-Raserei und, nicht selten an SULPHUR AEON erinnerndem, tonnenschwerem Death Metal. Dementsprechend reicht auch die stimmliche Varianz von kratzigen Screams, über tiefe Growls, bis hin zu dezent eingesetzten Clean Vocals.

Während dieses Fundament in der Theorie noch nicht allzu unorthodox anmutet, wird schon bei „Obra Dinn“ klar, dass THERMOHALINE ein Faible für den Bruch mit Genre-Konventionen hat. Sind es anfangs noch vereinzelte Stilmittel, wie der gekonnt eingewobene, von einer wehmütig klingenden Violine begleitete, weibliche Gesang, gesellen sich im weiteren Verlauf von „Maelström“ immer mehr experimentelle Sounds hinzu. Das folgende „Adamastor“ stellt hierbei mit seinen Versatzstücken aus der Glitch Electronica ein hervorragendes Beispiel dar. Derartige Elemente waren schon auf dem aktuellsten Output von DRUON ANTIGON des ebenfalls beteiligten Lennart Janssen zu hören, kommen bei THERMOHALINE nun aber fast noch dominanter zum Tragen. Zwischenzeitig gehen die elektronischen Experimente soweit, dass ein Glitch sämtliche Instrumente zu betreffen scheint und in seinem gewollten Störgeräusch-Effekt eine derart hervorragende musikalische Umsetzung eben dessen präsentiert, dass man sich unweigerlich die Frage stellt, ob Derartiges je zuvor auf einem Black-Metal-Album vertont wurde.

„Maelström“ ist ein klanggewordener Taifun

Auf der Hälfte des Albums, gibt es mit dem vergleichsweise ruhigen „Sirens“ die erste und letzte Verschnaufpause auf „Maelström“. Diese ist in Anbetracht des akustischen Orkans auch durchaus angebracht, denn hin und wieder droht eben dieser sein Publikum gänzlich zu verschlingen und in den schier unendlichen Fluten undurchdringlicher musikalischer Vielschichtigkeit zu ertränken. Genießt man es im tosenden Zwischenspiel von „Adamastor“ noch, des eigenen Atems beraubt zu werden, wird sich für den ein oder anderen im weiteren Verlauf des Albums unweigerlich der Eindruck eines klanglichen Overkills aufdrängen.

Sich „Maelström“ beim ersten Hördurchlauf gänzlich zu erschließen, ist allein aufgrund der unzähligen vertonten Stilmittel nahezu unmöglich. Wer dem Werk die Zeit zur vollkommenen Entfaltung einräumt und auch vor genre-fremden Einflüssen, sowie technischer Komplexität nicht zurückschreckt, wird mit dem Erstlingswerk von THERMOHALINE einen klanggewordenen Taifun mitreißender Natur erleben. Nur die Angst vor dem Ertrinken sollte man vor diesem Ritt durch die tosende See besser ablegen.

13.03.2021

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24 Kommentare zu Thermohaline - Maelström

  1. nili68 sagt:

    Grandios! AOTY-Material.

    10/10
  2. nili68 sagt:

    >wird sich für den ein oder anderen im weiteren Verlauf des Albums unweigerlich der Eindruck eines klanglichen Overkills aufdrängen.<

    Ich sehe den klanglichen Overkill, die Überreizung der Sinne durchaus als gewollt, als Stilmittel. Ich mag ja aber auch Bands wie Öxxö Xööx, die mir als ehester Vergleich einfallen, aber ich kenne ja auch nicht alles..

  3. Watutinki sagt:

    Wirklich saugeiles Album, eigentlich jetzt schon eines meiner Lieblingsalben in diesem Jahr! Und ich liebe zudem das völlig vernachlässigte Deep Ocean Thema! Der Titel Maelström ist einfach zu 100% passend, diese Musik reißt einen in die Tiefe, ohne jedes Erbarmen, aber auch jeden Widerstand, denn von nichts anderem möchte ich lieber hinuntergerissen werden, also von dieser Musik, diesem Spektakel! Besonders einzigartig ist, wie harmonisch die ganzen vielzähligen Elemente zusammenspielen, wie hypnotisch und vereinnahmend das Ganze daherkommt. Wenn ich den Gedanken weiterspinne, wie sich der BM in den 90ern hätte weiterentwickeln können, dann ist das hier nicht so weit davon entfernt. Hier wird nicht einfach mit modernster Produktion, und technischen hochwertigen, aber langweiligen Riffs und Errangements gelangweilt, das hier ist absolut disruptiv und scherrt sich keinen Deut um irgendwelche Trends. Einfach ganz großes Kino und das quasi für Lau!

    P.S: Etwas unter geht leider das neue Album von Krallice – Demonic Wealt. Das ist noch einmal deutlich disharmonischer und herausfordernder, als Thermohaline, aber wirklich einfach nur fantastisch – für Feinschmäcker! (https://www.youtube.com/watch?v=3MaO4IltjZo)

    9/10
  4. nili68 sagt:

    Ey, danke für den Krallice-Tipp! Das und auch Thermohaline sind Bands, die meinen „Glauben“ an Black Metal aufrecht erhalten.

  5. Lord Budweiser sagt:

    Aha…. Das lässt dich also an was glauben, was es garnicht nicht. Das ist bunt gemixt mit teils seltsamen elektronischen Einschüben die jegliche gute Melodie und Stimmung zunichte machen.
    Auch in die neue von Krallice hab ich bei Veröffentlichung reingehört… Halt experimenteller kram, technisch gut gemacht, aber ohne wirkliche Idee und Aussagekraft. Ist mir zu verkopft und lässt mich eher gelangweilt zurück als das es mir freude macht. Gibt nur wenige Sachen die mir in dem Bereich gefallen. Eins davon ist z.B.
    https://youtu.be/JeUZkn3GA9I
    Da ist finde ich alles (insbesondere die elektronischen Elemente) dem Song dienlich und passt zur der erzeugten Stimmung… und ohne zuviel technischen Geplänkel. Einfach atmosphärisch, düstere Musik mal etwas anders.

  6. nili68 sagt:

    Ja, Mümümü sind echt tausend mal besser, ich schwör. Boah, wie du immer die geilsten Bands kennst, da kann man ja richtig neidisch werden. Respekt! 😀

  7. Lord Budweiser sagt:

    Ging mir nur darum mein vorher erwähntes mit einem Beispiel zu untermauern. Muss dir ja nicht gefallen…
    Und dein Kommentar 😏

  8. nili68 sagt:

    Aha, haben wir das ja geklärt. Noch was? Je mehr Kommentare hier stehen, um so mehr Leute hören vielleicht rein..

  9. Lord Budweiser sagt:

    Und dagegen soll ich jetzt genaunwas haben?

  10. nili68 sagt:

    Wer sagt, dass du was dagegen haben sollst? Nur ein Hinweis auf einen positiven Nebeneffekt.

  11. Lord Budweiser sagt:

    Wenn das dein glaube an den black metal aufrecht erhält, dann lass es doch einfach. Du verstehst offensichtlich die Musik nicht…

  12. nili68 sagt:

    Das macht ja gar keinen Spaß, sich mit dir zu „streiten“. Wenn du kein totaler Idiot bist, musst du doch merken, dass das Müll ist, was du schreibst. Als ob irgend jemanden interessiert, was eine random Person im Internet für ’ne Meinung hat, ausser der Unterhaltungswert. Werd‘ erwachsen..

  13. nili68 sagt:

    Sollte das ein ironischer Trollversuch gewesen sein.. aber bei Trueheimern weiß man ja nie. Da kann auch der größte Stuss ernst gemeint sein.

  14. Lord Budweiser sagt:

    Was soll ich denn deiner Meinung nach nicht ernst meinen?

  15. nili68 sagt:

    Den kläglichen Belehrungsversuch, was Black Metal ist und was nicht z.B. Ich meine.. who gives a fuck?

  16. Lord Budweiser sagt:

    Belehrungsversuch? Ich weiß echt nicht was du meinst…
    Dein Verständnis von Black Metal scheint einfach sehr oberflächlich zu sein. Das kann man zumindest aus deinen Kommentaren entnehmen die du regelmäßig zum besten gibst. Hast aber recht due Meinung eines einzelnen interessiert hier eh keine sau 😉

  17. Gabbagandalf sagt:

    Schon geil, sehr interessante Aspekte, zwar nicht gleich nen 9er o. 10er Album, aber ne fette 8!

    8/10
  18. Watutinki sagt:

    „Aha…. Das lässt dich also an was glauben, was es garnicht nicht.“

    Also zumindest wäre das für mich eine mögliche Weiterentwicklung, aber natürlich nicht die Einzige. Wenn wir mal davon ausgehen, dass bspw. Emperor versucht haben, nicht auf der Stelle zu treten und den BM stattdessen ohne Kommerz-Ambitionen in das neue Zeitalter zu hieven, dann finde ich zeigt Prometheus ganz gut, in welche Richtung der BM zum Teil gegangen wäre.

    „Das ist bunt gemixt mit teils seltsamen elektronischen Einschüben die jegliche gute Melodie und Stimmung zunichte machen.“

    Prinzipiell mag ich zwar am liebsten den natürlichen, mittelalterlich angehauchten BM, alte Burgruinen, Wälder etc., aber prinzipiell habe ich nichts gegen elektronische Einschübe. Auch Melodien sind so ein zweischneidiges Schwert, Disharmonien haben auch ihren Charme. Aber wie gesagt, ich denke es ist ein Weg den BM weiterzuentwickeln, aber nicht der Einzige.

    „Auch in die neue von Krallice hab ich bei Veröffentlichung reingehört… Halt experimenteller kram, technisch gut gemacht, aber ohne wirkliche Idee und Aussagekraft. Ist mir zu verkopft und lässt mich eher gelangweilt zurück als das es mir freude macht.“

    Die Beschreibung, experimentell, technisch, verkopft, spricht mich schon an. ;))
    Ob es ohne Idee und Aussagekraft ist…, vieles in der Richtung kenne ich noch nicht, auf jeden Fall ist es denke ich recht eigenwillig und mutiger als die >sorry< langweiligen Sachen, die hier normalerweise so abgefeiert werden (The Spirit, Panzerfaust, Auðn etc.)

    "Gibt nur wenige Sachen die mir in dem Bereich gefallen. Eins davon ist z.B. https://youtu.be/JeUZkn3GA9I
    Da ist finde ich alles (insbesondere die elektronischen Elemente) dem Song dienlich und passt zur der erzeugten Stimmung… und ohne zuviel technischen Geplänkel. Einfach atmosphärisch, düstere Musik mal etwas anders."

    Habe ich mal kurz reingehört, klingt auf jeden Fall interessant! Ggf. klingt das Ganze hier harmonischer, eher im Einklang zueinander. Muss und will ich aber definitiv noch mehr Zeit investieren.

    Aktuell mag ich die Klasse dieser Bands noch nicht so wirklich zu erfassen und daher auch nicht so richtig zu bewerten. Ich finde das klingt alles einfach nur genial und bedarf noch wesentlich mehr Zeit, um mich hier festzulegen. Als ich gestern etwas angeheitert die Thermohaline gehört habe, muss ich echt sagen, war das tlws. schon auf einem lange nicht mehr wahrgenommenen Level – quasi bewusstseinserweiternd! :))

  19. Lord Budweiser sagt:

    Auf die Mukke muss man sich halt einlassen… Das ist mir bei Thermohaline bisher nicht gelungen. Ich werd mir das sicher noch das ein oder andere mal zu Gemüte führen und wer weiß… Vielleicht finde ich da noch einen zugang zu.
    Murmuüre ist mein Vergleichsobjekt in diesem Bereich und ich hab selten was erlebt das so atmosphärisch und düster ist. Das hat eine ganz eigene Stimmung durch die teils echt schrägen Harmonien… Ich finds großartig! Das Tape muss ich mir noch unbedingt besorgen.

  20. Lord Budweiser sagt:

    Mit dem traditionellen Black Metal hat das hier aber natürlich wenig zu tun, was es natürlich auch nicht muss. Als Weiterentwicklung würde ich es auch nicht zwingend betrachten, dafür sind zu viele Einflüsse mit verwoben.

  21. Watutinki sagt:

    Das Problem das ich sehe ist, dass Musiker sich mit der Zeit natürlich musikalisch verbessern, dann aber im traditionellen OSBM Sound, ihre hinzugewonnene Klasse häufig nicht mehr ausleben können, bzw. man hört es bei der eher tristen Produktion kaum heraus. Häufig entwickelt sich deren Sound dann später zu so einem oberflächlichen, fett produzierten, bombastischen Overkill, der zwar dem Musiker etwas nützt, aber nicht der Musik. Bei dem Stil den Thermohaline, Kralice oder Murmuüre spielen, finde ich, dass sich diese Musiker zum einen ordentlich austoben können, z.A. aber auch ihre musikalische Klasse zeigen und ihrem künstlerischen Anspruch treu bleiben können. Daher finde ich so eine Entwicklung immer lobenswert.

    Du hast aber recht, mit dem traditionellen BM Sound hat das weniger was zu tun. Ich finde eine gelungene Weiterentwicklung dieses Sounds, ist WITTR auf dem letzten Album ganz gut gelungen. Wobei ich gespannt bin, wie lange wir noch diese Klasse von denen erwarten können. Gewisse übertreiben kommerzielle Tendenzen sind ja augenscheinlich. Wäre die erste Band, die beides überzeugend miteinander verknüpfen kann.

  22. Lord Budweiser sagt:

    Ich sehe schon das Potenzial das Bands wie Thermohaline mit sich bringen, allein wegen der musikalischen Herausforderung das ganze zu einem Stimmungsvollen etwas zusammenzumodeln. Gelingt einem das wird man sich auf jeden fall von der Maße abheben können, muss natürlich auch seine hörer finden.
    Aber wenn wir über Einflüsse reden die am ehesten den Geist des Black Metals in den neunzigern entsprechen, dann sind wir mMn bei Noise angelangt. Bands wie The Body, Chaos Cascade und die Label Kollegen von Pissoir Rouge machen einfach kaputte (Anti)Musik und auf mehr war der Black Metal damals auch nicht ausgereichtet. Ich würds nicht als Weiterentwicklung bezeichnen sondern als moderne Herangehensweise verschiedene, ganz bestimmte Stimmungen zu vertonen.
    Bleiben wir im Bereich des traditionellen Black Metal in der heutigen Zeit kommt denk ich kaum was an Exercises In Futility von MGLA heran. Das ist perfekt interpretierter OSBM im hier und jetzt und eines der besten Alben der letzten zehn Jahre.

  23. Vielen Dank für Ihre gründliche und aufschlussreiche Rezension zu unserem Album. Wir sind begeistert von dem, was wir lesen, insbesondere von dem Verständnis, das Sie für das gezeigt haben, was wir versucht haben.
    (Ich persönlich bedaure nur, dass Sie meine Projekte nicht erwähnt haben, ahahaha, nur ein Scherz, ok?)

  24. he4rtle55 sagt:

    Für mich bisher der stärkste Black Metal release des jahres. Es ist aber auch ein sehr gute Kandidat für das album des jahres.

    10/10