The Wounded Kings - Consolamentum

Review

Also, eines muss ich aus gegebenem Anlass nun doch mal loswerden: So gern ich ja selbst beständig Listen erstelle, in denen alles bunt gemischt erscheint – einige Platten sind anders als der Rest. So ist in der letzten Zeit zum Beispiel die letzte SUPERSUCKERS der tätowierte, fluchende Nachbar mit dem Vollbart, die humpelnde letzte Geburt der IRON DOGS ist der nerdig-liebenswerte Kutten-Teenie mit der zu großen Sonnenbrille und MACABRE erinnern wie immer an den Fetthaar-Typen vom Tanken-Nachtschalter mit der seltsamen Video-Sammlung. Aber die sind alle irgendwie Kumpels.

Man trinkt Bier in ihrer Gegenwart.

„Consolamentum“, das vierte Album des britischen Zeitlupen-Adels der WOUNDED KINGS, ist anders. Es ist die unnahbare Schönheit mit der geheimnisvollen Aura und der Dunkelheit im entrückten Blick.

Man hält die Luft an in ihrer Gegenwart.

Diese Art der Musik ergreift einen komplett, geht direkt ins Herz und verdrängt alles andere: klassischer Doom mit tiefen, laaangsam gespielten Riffs, melancholischen Melodien und Orgel-Untermalung, alles mollig schwarz. Über dem nächtlichen Moor hängen Nebelschwaden, frühe PARADISE LOST feiern mit JEX TOTH den schwarzen Sabbat.

Der Opener „Gnosis“ gibt dabei die Richtung vor: Majestätische, dunkle Riffs werden irgendwann von glänzenden Leads durchzogen und nach knapp sechs Minuten gibt Sharie Neyland der Schwärze weitere Kontur und hebt mit klarer, beschwörender Stimme an: „I saw the devil.“ Und man sieht ihn auch, muss ihn auch sehen, gibt sich dem Zauber hin. Die Orgel begehrt auf und gibt sich im Übrigen sakral, die Gitarre droht wiederholt auszubrechen, schließlich kommt die gesamte Messe nach knapp 15 Minuten zu ihrem Ende. Groß. „Lost Bride“ bleibt im Bilde, erscheint allerdings mit leicht gehobenem Tempo und nur sechseinhalb Minuten kompakter – und wird stimmungsvoll ergänzt durch das folgende kurze „Elige Magistrum“, das im Wesentlichen aus einem Gitarrensolo besteht, dessen sich Gregor Mackintosh vor 20 Jahren nicht geschämt hätte.

Die Begeisterung ist groß und auch die übrigen Stücke, zwei lange Epen, jeweils ergänzt durch kürzere Instrumentalstücke, halten das Niveau. Besonders im Titelstück rifft sich die Band in Tateinheit mit ihrer enthusiastischen Sängerin dermaßen hypnotisch gen Ende immer fesselnder durch die gut zehn Minuten, dass man auch als vollkommen unreligiöser Zeitgenosse mit schneller werdendem Puls gen Himmel stiert und mit ausgebreiteten Armen bereit ist. Ohne genau zu wissen zwar, wofür – aber egal.

Denn ganz ehrlich, das hier ist ein frühes Genre-Highlight des Jahres. Die WOUNDED KINGS haben immer tolle Musik erschaffen, mit dem Wechsel am Mikro und personeller Aufstockung an Profil gewonnen und mit dieser Scheibe ein dunkel leuchtendes Mal in die Annalen des Doom gebrannt – hypnotisch, erhaben, zerbrechlich und gewaltig.

Nachtrag: Lyrisch geht es um die Katharer, eine christliche Bewegung des Mittelalters; durch das Consolamentum, die Geisttaufe, gelangte man in ihren Kreis. Sie wurden als Häretiker verfolgt, der Begriff des Ketzers mag sich von Katharer ableiten. Kindergarten oder Party sind auch textlich nicht Programm.

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16.02.2014

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