The White Buffalo - Year Of The Dark Horse

Review

Besonders Fans der actiongeladenen Biker-Serie „Sons of Anarchy“ werden die charismatische Stimme von Jake Smith, besser bekannt als Kopf von THE WHITE BUFFALO, sofort wiedererkennen. Schließlich hat sein Song „Come Join The Murders“ für einen DER Gänsehautmomente im großen Finale der Serie gesorgt.

Dennoch ist anscheinend nur wenigen in Deutschland bewusst, dass THE WHITE BUFFALO über die Serie hinaus seit Ewigkeiten im Musikgeschäft unterwegs sind und fleißig Alben veröffentlicht haben. Nach dem generischen „On The Widow’s Walk“ wagen die US-Amerikaner mit ihrem achten Album „Year Of The Dark Horse“ einen kleinen Neustart.

Jake Smith ganz intim

Denn statt sich selbst auszuverkaufen und weiterhin in eine allzu bekannte Schublade stecken zu lassen, haben sich THE WHITE BUFFALO in eine ehemalige Baptistenkirche zurückgezogen und während der Pandemie auf ihr Herz gelauscht. Beim Songwriting haben Jake Smith und seine Truppe nicht auf ausgetretene Blaupausen gesetzt, sondern beim Einspielen viel improvisiert. So will die Band nur drei der 12 Songs vorab fertig geschrieben haben.

Man kann also sagen, dass THE WHITE BUFFALO einfach dem Blues gefolgt sind. So eine Herangehensweise ist auf der einen Seite sehr persönlich, birgt aber die Gefahr, dass am Ende nur Murks herauskommt. Nun handelt es sich bei Smith aber um einen erfahrenen Songwriter. Und so geraten die Songs auf „Year Of The Dark Horse“ intimer denn je.

Schon auf dem Opener „Not Today“ präsentiert sich Smith so gelassen und entspannt wie lange nicht mehr und zeigt, dass ihm positiv getrimmter Rock perfekt liegt. Fast im Kontrast dazu steht der zweite Track „Winter Act 2“, auf dem THE WHITE BUFFALO auf den Pfaden von Bruce Springsteen zu wandeln scheint. Und genauso wie bei Springsteens „If I Should Fall Behind“ erzeugt Smith unmittelbar Gänsehautfeeling.

THE WHITE BUFFALO im Genre-Rausch

Im Vergleich zu ihren vorherigen Alben zeigen sich THE WHITE BUFFALO anderen Genres so offen wie noch nie. Nicht nur gleicht kaum ein Song dem anderen. Auch innerhalb der Songs präsentieren sich THE WHITE BUFFALO fluide, was die Genreauswahl angeht. „Kingdom For A Fool“ etwa beginnt als klassischer Americana, der aber auch immer wieder starke Blues-Noten aufweist, bevor er dann in glasklaren Power-Rock endet. Und über allem schwebt natürlich Smith’s über allen Zweifeln erhabene Raubein-Stimme.

Bevor man sich davon erholen kann, kommt die nächste Überraschung, denn das Intro zu „Love Will Never Come/Spring’s Song“ klingt verdammt nach TOOL (ja, richtig gehört), bevor verzerrte Gitarren und ein gereizter Smith das Ruder übernehmen, nur um in einer melancholischen Akustiknummer zu Enden.

Hier werden sogar Erinnerungen an die frühen GENESIS wach. Man möchte fast gar nicht meinen, dass das hier noch ein Album von THE WHITE BUFFALO ist. Und es geht noch weiter. Denn „She Don’t Know That I Lie“ ist ein düster, dreckiger Dark-Noir-Western-Song, wie ihn auch Quentin Tarantino in einen seiner Filme verarbeiten könnte.

Eine Schatztruhe für Musiknerds

Dem Yacht-Rock zollen THE WHITE BUFFALO ebenfalls ihren Tribut. „C’mon Come Up Come Out“ ist vielleicht nicht der stärkste Song des Albums. Beim Hören erzeugt er aber eine Leichtigkeit, der man sich nur schwer entziehen kann.

Natürlich haben die US-Amerikaner bei all dem Genrecocktail ihre musikalische Basis nicht vergessen. So ist „Love Song #3“ ein lupenreiner Track, wie er nur von Jake Smith kommen kann. Eine Ballade, die sowas von unter die Haut geht und ebenso ihren Platz im „Sons of Anarchy“-Soundtrack verdient hätte.

Und welchem Genre sich THE WHITE BUFFALO auch immer in „Heart Attack“ bedient haben, sie überraschen mit einem herrlichen Song, der klingt, als würden die BEASTIE BOYS Bruce Springsteen samplen. Ähnlich wie auch schon bei „Winter Act 2“ zeigt sich Smith auf der sanften Ballade „Am I Still A Child“ wieder von seiner ganz intimen Siete und gerade hier kommt seine einzigartige zu voller Geltung. Fast möchte man sich in diesem Song verlieren.

Abermals klassisch präsentieren sich THE WHITE BUFFALO im pianogetriebenen „52 Card Pickup“. Eine gekonnte Mischung aus Country und Blues-Rock, wie man es von Smith gewohnt ist, aber dennoch neu und angenehm frisch wirkt. Auf „Donna“ beigbt sich die Band auf die Spuren klassischen Rock’n’Rolls und mixen das gekonnt mit ihrem ganz eigenen Country-Blues. Dadurch wird „Donna“ ebenso schwungvoll wie der Opener „Not Today“.

Dann ist da noch das große Finale, „Life Goes On“. Eine nur von Akustikgitarre getragene Ballade, auf der Jake Smith mühelos die Gratwanderung zwischen Schwermut und Leichtigkeit meistert. Ein Song, der anfangs noch herunterzieht, aber schlussendlich Hoffnung schenkt.

THE WHITE BUFFALO überraschen auf ganzer Linie

Es fällt tatsächlich schwer, ein Fazit zu „Year Of The Dark Horse“ zu ziehen. Das liegt zum einen daran, dass THE WHITE BUFFALO hier wirklich überraschen. Statt gewohnten Country-Rock mit der perfekt balancierten Note Blues zu liefern, pfeifen sie auf das, was so mancher Fan vielleicht erwartet hätte.

Auf der anderen Seite tut es wirklich gut, Jake Smith nach all den Jahren von all den Erwartungen befreit zu erleben. Man kann auf jedem Song spüren, dass Sowohl er, aber auch seine Mitmusiker (Christopher Hoffee – Gitarre, Matt Lynott – Schlagzeug) hier wirklich Spaß gehabt haben, sich einmal auszutoben. Und das ist es, was ja am Ende im Rock’n’Roll zählt.

„Year Of The Dark Horse“ zeigt, dass THE WHITE BUFFALO weit mehr zu bieten haben, als sich auf den Erfolgen von „Come Join The Murders“ und „The Whistle“ und weitaus mehr auf den Kasten haben, als düstere Balladen zu schreiben. Und so hat die Band während der Pandemie eine neue Stärke entdeckt, die hoffentlich noch für weitere Veröffentlichungen Türen und Tore öffnet.

 

 

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14.11.2022

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