Eine der eigenständigsten Bands im deutschen, düster-gothischen und hart rockenden Metal waren THE VISION BLEAK schon immer, von den eher rockigen ersten beiden Alben „The Deathship Has A New Captain“ und „Carpathia: A Dramatic Poem“ an bis hin zu den tendenziell ein bisschen metallischeren Outputs „The Wolves Go Hunt Their Prey“ und „Set Sail To Mystery“ hat keine stilistische Änderung (die ja eh alle fast nur im Detail bemerkbar waren) daran rütteln können. Mit „Witching Hour“ kommt nun drei Jahre nach seinem Vorgänger das fünfte Album der Band, auf dem sich Konstanz und Schwadorf, die beiden Protagonisten hinter THE VISION BLEAK, gänzlich dem Thema Hexerei verschrieben haben. Und auf dem ihr ganz eigener Stil einmal mehr für ein durchgängig interessantes Hörerlebnis sorgt.
Das Intro ist gleich nach dem Albumtitel benannt und läutet mit schnarrenden Gitarrensaiten, disharmonischem Spiel und Sturmsamples die Geisterstunde ein, bevor es zu „A Witch Is Born“ übergeht – einem straighten Rocker, der sich ganz in die Tradition älterer Meisterwerke THE VISION BLEAKs einreiht. Interessant ist, dass dieser Song mit seinem geraden, direkten Riffing eher an die straighteren ersten Alben hält – und ja, um das vorwegzunehmen, „Witching Hour“ geht durchaus einen kleinen Schritt zurück, um einen Schritt nach vorne zu machen. „The Blocksberg Rite“ beginnt im Anschluss mit Flötenspiel, bevor sein Hauptriff ein bisschen an den Titeltrack von „Carpathia“ erinnert; mit „Cannibal Witch“ hauen THE VISION BLEAK ihren Hörern ein schleppend-doomiges Hexenwerk um die Ohren, das sich garantiert nicht so schnell aus den Gehörgängen verabschiedet. „The Wood Hag“ kommt mit einer unglaublich eingängigen Keyboard-Melodie und einem grandiosen Refrain daher; „Hexenmeister“ ist wieder härter und vor allem schneller (einen so flotten Song von THE VISION BLEAK habe ich, glaube ich, noch nicht gehört), während sich „Pesta Approaches“ wieder mehr Zeit lässt, erst einmal anderthalb Minuten lang Spannung und Atmosphäre aufbaut und dann wiederum in ein schleppendes Mainriff übergeht. Mit „The Call Of The Banshee“ bietet die Band einen ihrer Trademark-Songs, der insofern auffällt, dass er auch gut auf einem der letzten beiden Alben hätte stehen können (und mit Akustikgitarren und einem sehr sphärischen Part im Mittelteil punkten kann), während „The Valkyrie“ das Album erst wiederum mit einem flotten Riff und schließlich mit einem sehr weiten, ausladenden, melodischen Part beendet.
Um das weiter oben geschriebene noch einmal aufzunehmen: „Witching Hour“ geht durchaus einen Schritt zurück, um einen Schritt nach vorne zu machen. Das heißt konkret, dass es THE VISION BLEAK auf ihrem fünften Album zum ersten Mal gelungen ist, beide Seiten ihres Stils – die eingängig rockende und die düstere, metallischere – miteinander zu verbinden und zur Spitze zu treiben: Die eingängigen, rockigen Teile auf „Witching Hour“ sind auch wirklich eingängig as fuck und können es problemlos mit den eigenen Klassikern wie „By Our Brotherhood With Seth“ oder „The Lone Night Rider“ aufnehmen, während die härteren, schnelleren Songs sich kein Stück zurücknehmen und gleich auf’s Ganze gehen. So abwechslungsreich, so schnell, aber auch so ohrwurmtauglich waren THE VISION BLEAK bisher noch nie unterwegs – zumindest nicht alles auf einmal, aufeinem einzigen Album. Und trotzdem klingt „Witching Hour“ immer noch zu 110 Prozent nach THE VISION BLEAK – und das muss man erstmal nachmachen.
mich würde ja dann trotzdem interessieren, was der Kritikpunkt ist. Hat immerhin nicht die volle Punktzahl erreicht.
Braucht es einen Kritikpunkt, um eine Nicht-10-Wertung zu rechtfertigen. Im Grunde reicht’s doch z.B. schon, wenn ein Album zwar richtig richtig stark geworden ist, aber trotzdem kein perfektes Meisterwerk ist, oder? „Witching Hour“ ist auf jeden Fall eine Granate, die Buch-Edition lohnt sich übrigens. Sehr schöne Aufmachung, tolle(s) Illustrationen bzw. Artwork.
Oh, eine Diskussion über Punkte. Macht ihr euch eigentlich über uns lustig oder meint ihr das ernst?