The Used - Toxic Positivity

Review

Soundcheck Juni 2023# 18

Im Jahre 2020 sprach Cheffe in Bezug auf den Vorgänger “Heartwork” noch von einem “guten Nostalgietrip” und auch THE USED selbst versuchten sich damals an ihren durchaus stilprägenden Frühwerken zu orientieren. Drei Jahre später liegt der Nachfolger “Toxic Positivity” vor und er bewirkt, dass man sich beim Hören manchmal fragt, ob wir tatsächlich alle schon älter, dicker und berufstätiger geworden sind, oder ob das alles ein schräger Traum ist, aus dem wir bald aufwachen und uns ca. im Jahre 2007 befinden, noch zur Schule gehen, fragwürdige Frisuren (und Make-up) tragen und die Parolen unseres plakativen Weltschmerzes mit Edding auf die Schultaschen kritzeln.

Zeitreise mit THE USED

Denn THE USED schmeißen auf “Toxic Positivity” relativ gekonnt alle Zutaten zusammen, die die Schnittmenge aus Emo/Screamo, Pop Punk und ein klein wenig Metalcore damals so kommerziell erfolgreich machte. Das dürfen sie irgendwie auch, denn die Amis gehören immerhin zu den Urgesteinen dieser Suppe; man erwartet einen gewissen, typischen Sound von ihnen und experimentellere Alben wie “Vulnerable” wurden auch nicht vorbehaltlos rezipiert. So geht “Toxic Positivity” insgesamt als eine halbe Stunde solide unterhaltender, moderner Rock durch, der zwar selten so fasziniert, dass man sich mit Kopfhörern zurückziehen möchte, aber auch nicht in die Flucht jagt.

Dennoch gibt es ein großes ‘Aber’: Die Zeitreise funktioniert nicht gut, denn die große Frage ist, für wen “Toxic Positivity” eigentlich gedacht sein soll. Die Kids von heute haben (mehrheitlich) längst andere Genres und Subkulturen gefunden, um den typischen Gefühlen der Adoleszenz Ausdruck zu verleihen und die Mehrheit der Generation Y, die das damals hörte, ist heute da vermutlich rausgewachsen. Nostalgisch stimmen die leicht weinerlichen und ziemlich repetitiven Emo-Singsang-Melodien, die öfter auch an AVRIL LAVIGNE erinnern, zwar in deutlichem Maße; sie gehen aber auch schnell auf die Nerven. Der Großteil des früheren Publikums dürfte heuer in den Dreißigern oder wie die Band in den Vierzigern sein und über eine etwas differenziertere Gefühlswelt verfügen, sodass man nach der Hälfte des Albums häufiger geneigt ist, die Skip-Taste zu betätigen.

“Toxic Positivity” – Solide, aber wenig glaubhaft

Was uns zur Frage der Glaubhaftigkeit von THE USED führt. Wenn man mit vierzig immer noch “I Hate Everybody” (mit der an Realsatire grenzenden Textpeinlichkeit “All my friends are falling in love / but I can’t even fall asleep / They keep telling me love is a drug / but it’s a chemical that I need”) skandieren muss oder sich Selbstmitleid der Marke “Dancing With A Brick Wall” aus der Hüfte zaubern kann, hat man sich entweder etwas zu viel inneres Kind bewahrt oder ist einfach nur latent hängen geblieben. Oder man zwingt sich aus kommerziellem Kalkül heraus zu solchen Plattitüden. In jedem Fall fällt es schwer, THE USED dieses Feeling abzukaufen und selbst, wenn sie sich glaubwürdiger präsentieren würden, müsste man eher Mitleid damit haben, dass sich deren emotionales Spektrum im Laufe des Lebens nicht groß weiterentwickelt hat.

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02.07.2023

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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