The Tangent - Proxy

Review

Andy Tillison hat sich wieder einmal eine illustre Gruppe Musiker unter dem Banner THE TANGENT gekrallt – und es handelt sich dabei natürlich um Veteranen der Band, wobei sich die Liste auch für sich genommen wie eine hochkarätige Prog-Runde liest:

  • Luke Machin, Gitarre, u. a. von MASCHINE
  • Jonas Reingold, Bass, u. a. von THE FLOWER KINGS
  • Theo Travis, Saxofonist, u. a. von SOFT MACHINE und zwischenzeitlich im Lineup von Steven Wilson
  • Steve Roberts, Schlagzeuger, u. a. von (ex-)MAGENTA und KARMAKANIC

Wie erwähnt handelt es sich natürlich mehr oder weniger um Veteranen im THE TANGENT-Umfeld. Und so wundert es auch nicht, dass das neue Album „Proxy“ zunächst einmal voll und ganz nach THE TANGENT klingt. Wer „A Place In The Queue“ oder auch „Down And Out In Paris And London“ kennt (und liebt), ist mit den eröffnenden Tönen des Titeltracks also sofort zu Hause.

Vertrauter Anfang – die Trademarks stellen sich vor

Diese werden natürlich durch das Orgel-/Keyboardspiel von Tillison bestimmt, nehmen gleichzeitig wieder eine ordentliche Nase englischen Jazz. Dazu kommen einige der heftigeren Rock-Breaks aus dem Bandrepertoire und natürlich Tillisons Gesang irgendwo in diesem seltsamen Bereich zwischen nicht ganz ausgereift und doch hochcharismatisch und einprägsam. Und zusammen mit der obligatorischen Überlänge man hat eigentlich so ziemlich seinen typischen TANGENT-Dosenöffner, ohne den sich ein Album der Band aber auch nicht wirklich komplett anfühlen würde.

Instrumental präsentiert sich das folgende „The Melting Andalusian Skies“, das mit zum Titel passenden, lateinamerikanischen Vibes daherkommt und diese in den Prog einspeist. Sommer-Prog im Winter, Spanien in Großbritannien, die Welt steht Kopf bei Tillison und Co., in diesem Song, aber auch im folgenden „A Case Of Misplaced Optimism“, das den Retro-affinen Prog der Band plötzlich über Bord wirft und mit verfickt eingängigem Funk Rock ersetzt. Alter Schwede, das geht ja aber so richtig in Hüfte und Beine – im besten, d. h.: beweglichsten Sinne der Worte!

Ein fröhlicher Field-Trip durch tanzbare Gefilde mit THE TANGENT

Und es bleibt nicht bei dem einen Ausreißer: Auch „The Adulthood Lie“ wildert in Prog-fremden Genres, die mehr mit Tanzmusik denn verkopftem Gefrickel zu tun haben. Der Pressetext lässt hierzu unter anderem den Namen JAMIROQUAI fallen, was vielleicht etwas irreführend ist. Denn dafür ist „The Adulthood Lie“ dann doch zu quirlig und kantig geraten. Aber man merkt schon, wenn solche Namen gerade im Bezug auf THE TANGENT fallen gelassen werden, dann kann man von einem ungewöhnlichen Song ausgehen. Tatsächlich hält der Track die Spannung über seine gesamten 16 (!) Minuten.

Das gelingt dank des abwechslungsreichen Songwritings, das die wiederum recht funkigen Rhythmen durch Elemente von Hard Rock und Smooth Jazz bereichert. Und sogar einen EDM-artigen Drop hat die Band in den Song geschmuggelt, der einfach komplett over the top ist, aber im entsprechenden Moment einfach richtig gut in den Song passt. Dazu hat der Song diese seltsam nostalgischen Lyrics, die einerseits zu den Vibes des Songs passen, andererseits aber auch so einen bittersüße Beigeschmack haben. Und dann – obendrauf – ist da noch diese Gänsehaut-Hook, die eine Wirkung ähnlich wie ein kühler Sommerregen in geißender Hitze inne hat.

„Proxy“ ist definitiv kein Stellvertreter-Prog

Das abschließende „Supper’s Off“ klingt vom Titel her wie eine Trotzreaktion auf den GENESIS-Klassiker „Supper’s Ready“, hat mit diesem aber wenig zu tun. Es ist stattdessen wieder ein recht klassischer Retro-Prog-Song, dessen eröffnende Klänge mit ihren Dur-lastigen Melodien schon fast wieder etwas zu klischeehaft klingen. Doch der hier zum Einsatz kommende, erstaunlich effektive Sprechgesang von Tillison dämpft diesen Eindruck wieder ein zu Gunsten des Hörvergnügens. Und sobald der Song wieder ein düsterere, vertracktere Gefilde eintaucht, befinden sich THE TANGENT ohnehin wieder voll auf Kurs.

Es ist sehr interessant, wie sehr die Band hier gleichzeitig voll und ganz nach THE TANGENT klingt und doch teilweise so massiv in den Genres wildert. „Proxy“ hat kein übergeordnetes Konzept, aber bei dem, was sich im Mittelteil der Platte abspielt, würde das wohl auch keinen Sinn ergeben. Oder man müsste zumindest um einige Ecken denken. Aber gerade aufgrund dieser Tatsache ist es beeindruckend, wie geschmeidig „Proxy“ runtergeht – wie Öl. Vertraut und doch frisch, definitiv kein Stellvertreter-Prog und definitiv eines der besten Werke aus dem Bandkatalog. Und dazu ist das Album mit „nur“ 57 Minuten erstaunlich „kurz“ ausgefallen. Chapeau, Herr Tillison.

20.12.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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2 Kommentare zu The Tangent - Proxy

  1. nili68 sagt:

    Ohne das zu bewerten, erschließt sich mir hier die Relevanz auf der Seite wieder nicht so ganz. Scheint auch beim Youtube-Durchzappen alles so zu klingen..

  2. BlindeGardine sagt:

    Das klingt eigentlich echt verdammt cool und lässig. Aber ja, von Metal ist das hier natürlich in etwa so weit entfernt wie Helene Fischer, wenn auch in einer anderen Richtung-