The Ruins Of Beverast - Blood Vaults – The Blazing Gospel Of Heinrich Kramer (Cryptae Sanguinum – Evangelium Flagrans Henrici Institoris)

Review

Beim Rennen um den längsten Albumtitel des Jahres ist Ex-NAGELFAR-Trommler Alexander von Meilenwald mit dem vierten Langeisen seines Solo-Projekts THE RUINS OF BEVERAST definitiv schon mal ganz vorne mit dabei: „Blood Vaults – The Blazing Gospel Of Heinrich Kramer (Cryptae Sanguinum – Evangelium Flagrans Henrici Institoris)“ nennt sich der 78-Minüter. Dass der Aachener bisher immer Qualität abgeliefert hat, ist im Black-Metal-Untergrund bekannt und so darf man ein hochklassiges Werk erwarten. Reicht es gar vielleicht für den ganz großen Wurf, das Extreme-Metal-Album 2013? 

Die vierte Platte führt den Pfad des 2009-er Drittwerks „Foulest Semen Of A Sheltered Elite“ mit erneut druckvollem, aber nie zu poliertem Klang sowie eher andersweltlicher und unheilvoller denn frostig-rauer, aggressiver Stimmung – wie sie die ersten beiden THE RUINS OF BEVERAST-Platten „Unlock The Shrine“ und „Rain Upon The Impure“ noch dominierte – fort. Es fällt auf: „Blood Vaults“ ist weniger Black Metal als jemals zuvor bei THE RUINS OF BEVERAST, besitzt noch weniger Blast-Passagen als sein Vorgänger, bedient sich dafür häufiger einer spürbaren Death-Doom-Ästhetik.

Inhaltlich dreht es sich – wie dem Titel unschwer zu entnehmen ist – um den Dominikaner und späteren Inquisitor Heinrich Kramer, den Verfasser des berüchtigten, wahrscheinlich 1468 erschienenen und damals offenbar gar nicht so wirkungsmächtigen Hexenhammers – einer Hetzschrift, in der er Hexenglauben und -verfolgung legitimierte. Fanatischer Aberglaube, imposante Kathedralen, enge, verdreckte Städte und modrige Kerker, unvorstellbare Qualen und die furchtbaren Schreie der gepeinigten Seelen auf dem Scheiterhaufen. Passendere Pfeiler gibt es kaum für den bis auf wenige hoffnungsvollere Momente nachtschwarzen Black/Death/Doom mit einer Atmosphäre dichter als Bon Scott in seiner Todesnacht, hintergründigen Schemen wie sakralen Orgelklängen, seinen letzten verbliebenen, aber dafür umso effektiveren Knüppelausbrüchen und den für THE RUINS OF BEVERAST schon charakteristischen diversen Sprech- und Gesangsstilen: Neben der dominierenden Meilenwald’schen Grunzkrächz-Intonierung findet sich von fiesem Gekeife über dämonisch-verzerrtes Flüstern (etwa im herrlichen, extra-finsteren „Daemon“ und im höchst wuchtigen „Spires, The Wailing City“) und beschwörendem Klargesang („A Failed Exorcism“, ebenfalls grandios) bis hin zu im Hintergrund erklingenden Chorälen alles, was das kalte Herz begehrt. Gut, das Damengesäusel in „Ordeal“ ist für Puristen sicherlich streitbar, immerhin aber vergrößert es den ohnehin schon unglaublichen Facettenreichtum der Veröffentlichung.

Aber was genau ist „Blood Vaults“ denn nun? Obskurer Black Doom? Oder doch mittlerweile eher stark angeschwärzter Death Doom? Wie genau man es definiert – Haarspalterei. Es bleibt ein Werk, das sich den üblichen, mitunter kleingeistigen Kategorisierungen und dem oft peinlichen Drumherum der Metal-Szene entsagt, dafür mit seiner Aura bis aufs Letzte vereinnahmt. „Blood Vaults“ gleicht einem mächtigen mittelaterlichen Folianten: außen edel und reizvoll gestaltet – das bläulich-schillernde Artwork von Axel Hermann kann sich doch wahrlich sehen lassen –, vielleicht zunächst etwas beschwerlich zu öffnen, aber im Inneren mit überbordender Pracht und mannigfaltigem Wissen gesegnet, alles natürlich in mühevoll-leidenschaftlicher Handarbeit entstanden. Ob man an den Vorgängern oder an diesem vierten Opus mehr Gefallen findet, ob man sich von einem „Soliloquy Of The Stigmatised Shepherd“, einem „Mount Sinai Moloch“ oder einem „Daemon“ am liebsten in den Abgrund der eigenen Gedankenwelt reißen lässt, muss jeder mit sich alleine ausmachen, zu hoch ist das Qualitätsniveau dieses deutschen Projekts seit fast einem Jahrzehnt. Unstrittig jedoch ist, dass THE RUINS OF BEVERAST mit diesem dritten bockstarken Brocken in Folge im extremen, lichtscheuen Metal-Bereich wieder einmal das Maß aller Dinge sind. Fast möchte man glauben, der Protagonist habe seine Seele dafür an den Gehörnten verkaufen müssen …

05.09.2013
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