The Offering (US) - Seeing The Elephant

Review

Soundcheck November 2022# 7

THE OFFERING veröffentlichen mit ihrem zweiten Album „Seeing The Elephant“ einen wahrhaft schweren Brocken: Die Band aus Boston ordnet ihre Musik als Modern Heavy Metal ein, was alles Mögliche zwischen Modern Metal, Groove Metal und Progressive Metal einschließt. Das Ganze ist technisch ansprechend und soundtechnisch krachend umgesetzt, so dass das Album jedes Wohnzimmer in ein Bombenentschärfungsareal verwandelt.

THE OFFERING verwandeln jedes Wohnzimmer in ein Bombenentschärfungsareal

Jedenfalls beginnt „Seeing The Elephant“ hektisch und mit Alarmstufe Rot: Der Opener „W.A.S.P.“ setzt auf ICE-Tempo, tiefergelegte Slamriffs und sirenenhafte Gitarrenleads, während Sänger Alexander Richichi hysterische Growls beisteuert. Nach drei Minuten ändert sich die Stimmung des Songs grundlegend, und plötzlich findet man sich in einer progressiven Erzählung wieder, die durchaus sanfte, melodische und auch eingängige Momente bereithält und einen Sänger präsentiert, der auch aggressivem Metalgesang eine melodische Note gibt. Das Gitarrensolo wiederum ist bis hin zu Hyperwarp-Effekten gnadenlos over the top. Zurückhaltung ist das Ding von THE OFFERING jedenfalls nicht.

„Ghostmother“ wiederum setzt vermehrt auf Eingängigkeit, die vor allem durch die rhythmisch packende Gesangslinie erreicht wird. Beim überdreht inszenierten „Rosefire“ bilden die Gitarren mit ihren Slamriffs das massive Fundament, auf dem Gesang und Sirenen für unkontrolliertes Chaos sorgen, um im Refrain dann doch auf Eingängigkeit zu setzen: Da möchte man am liebsten mitgrölen.

Bis hierhin klingt das alles sehr vielversprechend, und selbst wenn man nicht notwendigerweise moderne Metal-Spielarten favorisiert, kann man „Seeing The Elephant“ nicht absprechen, dass es mit seinem Groove, seiner puren Wucht und einigen Melodien fesselt. Somit mag es unfair erscheinen, doch das Haar in der Suppe suchen zu wollen.

„Seeing The Elephant“ hat noch Luft nach oben

Doch das findet sich eben doch. Kurz gesagt: Wo auf der ersten Albumhälfte Spannung aufgebaut wird, flacht die Spannungskurve in der zweiten Hälfte ab. Zunächst setzt „My Heroine“ fast schon cheesig auf Gesangsharmonien, bevor „Flower Children“ ziemlich stumpfe Siebensaitergitarren auffährt. Und auch wenn man „Tiny Disappointments“, „With Consent“ und dem Rausschmeißer „Esther Weeps“ nette Melodien und Ideen bescheinigen muss, verlieren sich die Songs eben auch in progressiver Beliebigkeit. Nach der anfänglichen Hysterie dudelt das Album beinahe schon aus.

Natürlich setzt „Seeing The Elephant“ eine Affinität zu progressiver Musik voraus – da ist die eingangs erwähnte, selbst gegebene Schublade „Modern Heavy Metal“ irreführend. Allerdings sind THE OFFERING in meinen Augen immer dann am besten, wenn sie schiere musikalische Gewalt mit Eingängigkeit verbinden, und das gelingt ihnen eben nur streckenweise. Somit gibt es noch Luft nach oben. Trotzdem bietet die Scheibe ein paar memorable Melodien und Passagen, die so schnell nicht mehr aus dem Gedächtnis weichen. Reinhören schadet somit nicht.

08.12.2022

- Dreaming in Red -

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