Entgegen der Entwicklung vieler großer Musiker hat es Jimi Hendrix stets geschafft, mit zunehmendem Erfolg nicht unter Kreativdruck zu leiden, sondern stattdessen immer nur kreativer und produktiver zu werden. „Electric Ladyland“ enthält 16 Stücke, wovon zwar zwei Coverversionen sind („All Along The Watchtower“ von BOB DYLAN – auch nach Dylans Meinung die beste Version dieses Liedes – und „Come On“ von Earl King), die die Spielzeit dieses Albums trotzdem noch auf weit über einer Stunde halten.
Schuld daran sind zu einem großen Teil ausgedehnte, großartig angelegte Blues-Jamsessions („Voodoo Chile“ oder „1983… – A Merman I Should Turn To Be“ mit je fast einer Viertelstunde Laufzeit), aber auch die überbordende Kreativität des Gitarristen: Hendrix hat auf „Electric Ladyland“ Stücke verschiedenster Stilrichtungen verewigt, die doch allesamt, auch trotz des oft recht heterogen erscheinenden Sounds, seine Handschrift tragen. Neben kurzen, hittauglichen Songs wie dem hektischen „Crosstown Traffic“ oder dem steinigen „Voodoo Child“ finden sich auch Funk („Gypsy Eyes“) oder psychedelische Effektspielereien, wie in dem die 70er vorausnehmenden „Burning Of The Midnight Lamp“. Auch jazzige Töne („Rainy Day, Dream Away“), Tangorhythmen („House Burning Down“) und Ambientinterludes („… And The Gods Made Love“ oder „Moon, Turn The Tides“) haben ihren Platz auf „Electric Ladyland“.
Auch wenn diese Zusammenstellung illustrer Musiker und verschiedenster musikalischer Schwerpunkte sich wie eine auf Vinyl verewigte Spielwiese für einen Musikvisionär liest: das ist es nicht. Hendrix‘ virtuoses, vielschichtiges und aus Legionen von Nachahmern herausstechendes Gitarrenspiel hält die gesamte Platte zusammen. Das bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass aus der Band THE JIMI HENDRIX EXPERIENCE eine Backingband mit zusätzlichen Gastmusikern geworden ist, die einzig und allein dem Genius Hendrix‘ dient. Das wird in den endlos diversen Gitarrenlayern und verspielten Effektwelten dieser Platte deutlich und zeigt schon hier die Richtung an, die Hendrix später eingeschlagen wird: Selbstverwirklichung um jeden Preis. „Electric Ladyland“ hält die Waage zwischen den von Chas Chandler zu verträglichen und verständlichen Popalben zusammengehaltenen ersten beiden Platten und den ausufernden Improvisationen, die nach diesem dritten und letzten EXPERIENCE-Album folgen sollten.
„Electric Ladyland“ erscheint im Digipak mit einer sehenswerten Bonus-DVD (Kurzdokumentation zur Entstehung des Albums) sowie einem umfangreichen, kommentierten Booklet mit exklusiven Fotos.
Jo, stimmt, Dr. Alboin. Und solche Specials solltet ihr häufiger machen, gerade solche Klassiker. Feine Reviews zum Altmeister und die "Electric" ist natürlich Kult.