Wären die Mannheimer THE INTERSPHERE eine plakativ operierende Band wie – sagen wir mal: VISIONS OF ATLANTIS, würden sie ihrem neuen Album „Wanderer“ eine Tagline vom Schlage eines „Not all who wander are lost“ geben. Sind sie aber glücklicherweise nicht, daher können wir direkt mit dem einsteigen, was „Wanderer“ ist. Nach „The Grand Delusion“ und der zeitgegebenen Notwendigkeit, ihre für 2020 geplante Jubiläumstour zu „Interspheres >< Atmospheres“ zu verschieben, war es für die Band um Christoph Hessler nur eine Frage der Zeit, bis neues Material eventuell das Licht der Welt erblicken würde. Die Frage ist natürlich, wohin es die experimentierfreudigen Mannheimer Rocker nach dem von der Zugänglichkeit von „Relations In The Unseen“ wieder leicht abweichenden „The Grand Delusion“ stilistisch verschlagen würde.
Eingängigkeit wird bei THE INTERSPHERE wieder besonders groß geschrieben
Der Pressetext spricht von der Annäherung an elektronische Elemente, aber das kommt bei „Wanderer“ weniger prominent zum Vorschein, abgesehen von einzelnen Synth-Layern und -Loops, die mal unter Songs gelegt werden. Oder jedenfalls nimmt unsereins das nicht so stark war. Stattdessen setzt das Album wieder verstärkt auf Eingängigkeit und bringt eine ganze Menge an Alternative-Hits mit distinktiver Post-Rock-Note und ausgeprägtem Pop-Appeal hervor. Dabei bewahren sich die Mannheimer selbstredend ihren ganz eigenen Sound, der in Ermangelung eines besseren Wortes in praktisch jeder Lage – ob sanftmütig und radiotauglich schwingend wie in „Down“ oder etwas heavier aufstampfend wie in „Heads Will Roll“ – schlicht erfrischend klingt. Der Ton der Gitarren ist dabei stets warm, egal ob etwas mehr verzerrt wie in letztgenanntem oder eben eher clean perlend wie im Rausschmeißer „Under Water“.
Die soeben erwähnte Erfrischung rührt auch von dem glasklaren Sound und dem aufgeräumten Songwriting her, das praktisch jeden Song, egal wie rockig, leichtfüßig durch die Boxen tänzeln lässt. Flirrende Clean-Gitarren dienen beispielsweise im eröffnenden Titeltrack als wunderbares Backdrop zu den erdigeren, fleischigen Bratriffs, die dem Song einiges an Nachdruck verleihen. Durch die cleane Ornamentik und nicht zuletzt auch der mehrstimmig gesungenen, majestätisch über dem Geschehen hinwegsegelnden Hook bleibt aber eine beispiellose Luftigkeit im Song. Zugleich ist der Song aber druckvoll und energetisch. Dieses empfindliche Gleichgewicht wird immer mal wieder in die ein oder andere Richtung gekippt, wobei man wie angedeutet heuer vermehrt poppig unterwegs ist.
Dabei verliert sich „Wanderer“ manchmal zu sehr in biederer Poppigkeit
Unglücklicherweise hat das auch den weniger erfreulichen Nebeneffekt, das der Pop-Appeal gelegentlich übers Ziel hinaus schießt hin zum Punkt, wo THE INTERSPHERE gefährlich nah an seelenlosen Hitfabrikanten der Marke Ed Sheeran vorbeischrammen. „Always On The Run“ emuliert neuzeitliche, nach Indie klingende aber de facto massenproduzierte Gesangslinien in den Strophen zusammen mit etwas zu plakativen Texten, rettet sich aber immerhin einigermaßen mit einer Hook, die ordentlich Druck auf dem Kessel hat. „Who Likes To Deal With Death?“ watet in die gleiche Falle, muss aber ohne die druckvolle Hook auskommen. Der Song versucht aber immerhin durch interessante, zum Teil fast perkussive Gitarrentexturen das beste draus zu machen.
Dass die Mannheimer ruhige Songs draufhaben ohne sich gleich an Radiohörgewohnheiten anbiedern zu müssen, beweisen sie im stimmungsvollen „Treasure Chest“ sowie dem sahnigen Rausschmeißer „Under Water“, sodass die poppigen Durchhänger wenig mit dem Herunterschrauben der Intensität zu tun haben. Daher wäre es falsch, zu konstatieren, dass „Wanderer“ in seinen keckeren, frecheren Momenten am stärksten ist. Sie sind zweifelsohne die aufregendsten Passagen von „Wanderer“, aber THE INTERSPHERE sind auch in der Kunst des Gänsehauterregens firm. Dass man hier passagenweise über das poppige Ziel hinausgeschossen ist, kann man als Wermutstropfen einer ansonsten durchweg soliden Veröffentlichung also ruhig mal hinnehmen.
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