The Haunted - Versus

Review

Für viele sind THE HAUNTED der Grund, warum der Thrash Metal nach seinem Niedergang in den Neunziger-Jahren überhaupt seine Wiederauferstehung feiern durfte. Als die Band 1998 ihren selbstbetitelten Erstling veröffentlichte, war dies wie die Eroberung von einem verwaisten Gebiet: SLAYER und KREATOR hatten sich vom Thrash Metal vergangener Tage deutlich entfernt, METALLICA hatten Gefallen an kommerzielleren Klängen gefunden und TESTAMENT wilderten in gerade auch nicht mehr angesagten Death-Metal-Gefilden. Mit den folgenden Alben konnten THE HAUNTED ihre Stellung festigen, bevor auch sie mit „The Dead Eye“ musikalisches Neuland betraten. Keine schlechte Idee, neue Wege zu gehen, allerdings ging dadurch ein wenig die Ordnung verloren.

Die Frage beim neuen Album „Versus“ ist also nicht nur, in welche Richtung der Schweden-Fünfer diesmal steuert. Mindestens ebenso interessant ist die Frage, ob es ihm diesmal gelingt, ein zusammenhängenderes Werk zu präsentieren. Dabei mag es zunächst nebensächlich anmuten, dass THE HAUNTED ihre neue Scheibe live im Studio aufgenommen haben. Dies bedeutet aber, dass die Band mir einer klaren Vision ins Studio gegangen ist. Mit einer Vorstellung davon, wie das neue Album klingen soll. Und mit der Direktive, die experimentelle Phase bereits vor dem Studiotermin abgeschlossen zu haben. Scheinbar hat sich diese Vorgehensweise ausgezahlt.

Mit dem Opener „Moronic Colossus“ starten THE HAUNTED erst einmal brachial und wütend in das neue Album: Die Gitarren sägen ein Thrash-Riff ab, dass die Späne nur so fliegen, während Frontkämpe Peter Dolving rhythmisch wie geifernd seine Texte ausspuckt. Doch schon die folgenden Stücke „Pieces“ und „Little Cage agieren im Refrain variabler und vereinen die typischen Thrash-Zutaten mit melodischeren Elementen. „Trenches“ wiederum ist insgesamt zwar heftig, aber rockiger und hat eine ruhigere Bridge. Nach dem groovenden „Ceremony“ folgt mit „Skuld“ der ruhigste Track auf „Versus“: Hier treffen geflüsterte Vocals auf beschwörende Gitarrenklänge und sanfte Tribal-Drums. Umso heftiger kontrastiert das Eingangsriff vom darauf folgenden „Crusher“ – guter Effekt, aber kein überragender Song. „Rivers Run“ wiederum zeigt THE HAUNTED von ihrer experimentelleren Seite und ein Alternative-Metal-Einschlag ist nicht zu leugnen. „Iron Mask“ nimmt diese Elemente auf, und „Faultline“ ist auch nur unwesentlich flotter ausgefallen – bis nach knapp zwei Minuten das Tempo deutlich angezogen wird: Nett, aber auch nicht umwerfend. „Imperial Death March“ schließlich ist ein langsamer, skelettierter Rausschmeißer mit verzerrten Vocals, der sich nicht so recht zu den übrigen Stücken gesellen möchte und wahrscheinlich deshalb am Ende des Album plaziert wurde.

Die elf Tracks vereinen flüssig die bekannte Brachialität mit Elementen, die mit „The Dead Eye“ Eingang in den Klangkosmos von THE HAUNTED gefunden haben. Darin mögen manche einen Rückschritt sehen, ich würde es eher Besinnung auf die vorhandenen Stärken nennen. Dadurch, wie durch die Aufnahmesituation ist „Versus“ ein kompaktes Werk geworden. Während aber die ersten Songs durch die Bank überzeugen können, schwindet zum Schluss die Begeisterung. Das liegt nicht an der variableren Gestaltung der Songs – ich finde schlicht keine Elemente, die in meinem Gedächtnis haften bleiben wollen.

15.09.2008

- Dreaming in Red -

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