The Halo Effect - Days Of The Lost

Review

Soundcheck August 2022# 1 Galerie mit 12 Bildern: The Halo Effect - Rockharz Open Air 2024

Vier langjährige Mitglieder von IN FLAMES gründen eine neue Band mit Mikael Stanne, Obersympath von DARK TRANQUILLITY und Aushilfssänger auf dem IN-FLAMES-Debüt „Lunar Strain“? Klar, das wirbelt natürlich einigen Staub auf in der Szene, weckt aber unvermeidlich auch hohe Erwartungen. Ob THE HALO EFFECT ein Grund dafür sind, dass jetzt Anders Fridén, Björn Gelotte und Co. auch plötzlich mit zwei Singles um die Ecke kommen, die ziemlich stark Back To The Roots gehen, kann vermutlich nicht geklärt werden. Am Ende bedeutet das für Melodic-Death-Liebhaber womöglich zwei Alben mit purem Göteborg-Death innerhalb kürzester Zeit. Aber knüpft „Days Of The Lost“ überhaupt wirklich dort an, wo es sich viele Fans wünschen dürften, also irgendwo Ende der Neunziger?

THE HALO EFFECT – Keine Fortsetzung der Neunziger

„Shadowminds“, nicht nur Album-Opener, sondern auch erste Single, dürfte einige Träumer bereits früh unsanft geweckt haben. Nein, natürlich machen THE HALO EFFECT nicht dort weiter, wo „The Jester Race“ 1996 aufhörte. Mikael Stanne beschreibt es in unserem Interview zum Album recht treffend, wenn er sagt, dass sie zwar versucht haben das Gefühl der Anfangszeit Revue passieren zu lassen, aber mittlerweile eben auch 30 Jahre Erfahrung haben. Das zeigt sich natürlich auch sowohl in den Songs als auch im allgemeinen Sound von „Days Of The Lost“. Verabschieden wir uns also lieber schnell von unrealistischen Erwartungen und fragen uns eher, ob THE HALO EFFECT einfach ein gutes Melodic-Death-Album gelungen ist.

Tatsächlich erinnert „Shadowminds“ nicht nur durch Stannes Gesang stärker an DARK TRANQUILLITY als an IN FLAMES, sondern auch durch seine Melodieführung. Der Song hätte also durchaus auch auf einem der letzten DT-Alben nicht wie ein Fremdkörper gewirkt, hätte aber dort zweifellos auch bereits zu den starken Nummern gezählt. Der Titelsong geht aber bereits einen ganz anderen Weg, die euphorischen Leads erinnern sofort an IN FLAMES Mitte der 2000er, vor allem an „Come Clarity“. Dennoch gibt es auch hier Reminiszenzen an Stannes Hauptband oder kurz: Alle Stärken des melodischen Todesstahls aus Göteborg werden ausgespielt.

Während in „The Needless End“ und „Conditional“ die bisher verwendeten Elemente noch einmal auf erfrischende Weise variiert werden, wird es dann ab „In Broken Trust“ noch einmal richtig interessant, denn Stanne packt erstmals seinen cleanen Gesang aus. Das Gitarrenduo Strömblad/Engelin verleiht dem Song dazu einen ungeheuren Drive, der vielleicht auf den letzten DARK-TRANQUILLITY-Alben ein wenig zu kurz kam. „Gateways“ entwickelt sich mit seiner packend-dramatischen Hauptmelodie sofort zu einem Ohrwurm und gehört zum stärksten, was „Days Of The Lost“ zu bieten hat. Das gilt ebenfalls für „A Truth Worth Lying For“, denn was Stanne hier im klar gesungenen Refrain zaubert, ist einfach nur ganz groß.

Und danach? Pulver verschossen? Keinesfalls. „Feel What I Believe“ ist noch einmal ein hoch melodischer Gute-Laune-Song, enthält aber trotzdem ordentlich schnelles Geballer. „Last Of Our Kind“ betreibt erst einmal ordentlich AT-THE-GATES-Worshipping, bevor Gastsänger Matt Heafy (TRIVIUM) der Nummer eine ganze eigene, modernere Note verleiht. „The Most Alone“ nimmt zum Abschluss dann zwar das Tempo etwas raus, hat aber noch einmal Riffs und Melodien am Start, für die andere Bands töten würden.

Lässt wenig Wünsche offen – „Days Of The Lost“

Fassen wir erst einmal zusammen, was „Days Of The Lost“ nicht ist: Eine nach 1996 klingende pure Old-School-Göteborg-Hommage. Was THE HALO EFFECT aber durchaus gelungen ist, das ist ein hervorragendes, trotz der Erfahrung der beteiligten Musiker frisch klingendes Melo-Death-Album. Es gibt hier schlicht keinen Ballast, keine Durchschnitts-Füllware. OK, ein Überhit wie „Cloud Connected“ oder „Misery’s Crown“ ist vielleicht nicht enthalten, aber sonst dürften wenig Wünsche offen bleiben.

Natürlich, „Days Of The Lost“ klingt vielleicht moderner, als es viele erwartet hätten, aber man darf bei aller Euphorie nicht vergessen, dass alle Beteiligten in den letzten Jahren weiter Musik gemacht haben, was auch hier natürlich seinen Einfluss hatte. Die Entscheidung, sich während der Pandemie ins Studio zurückzuziehen und, ohne großen Wind darum zu machen, einfach zu schreiben, was sich gut anfühlt, spiegelt sich im Klang des Albums wieder und katapultiert es schnell auf Heavy Rotation. THE HALO EFFECT ist ein Melodic-Death-Jahreshighlight gelungen, das von anderen Bands erst einmal übertroffen werden muss – und das wird definitiv nicht gerade einfach.

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06.08.2022

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

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8 Kommentare zu The Halo Effect - Days Of The Lost

  1. metal-maniac sagt:

    Ehrlich gesagt finde ich den ständigen Verweis auf „the jester race“ etwas deplatziert. Ich glaube niemand, der die Vorabtracks gehört hat, hat das wirklich erwartet. Vielmehr höre ich da jede Menge In Flames/Dark Tranquility der 2000 er Ära heraus und finde es einfach nur großartig.
    Ich hatte das Vergnügen, the halo effect am Metaldays als Headliner-Act sehen zu dürfen und war einfach nur begeistert obwohl die Band bisher nur 4 Songs veröffentlicht hat (Stanne war das war laut eigener Aussage selbst schon peinlich). Bitte mehr davon!

  2. Llares sagt:

    Ich hatte das Glück, das Album auf Wacken live gehört zu haben. Auch wenn der Sound nicht optimal war, war es großartig. Bestellung ist draussen!

    9/10
  3. onlythewindremembers sagt:

    Ich muss sagen, dass die Lieder, die vorab hörbar sind, durchaus gelungen sind. Wie metal-maniac schon schrieb, erwartet sicher niemand ein zweites „The Jester Race“. Aber so, wie die Band jetzt da steht, ballern die schon viele Querverweise in Richtung der alten IF und DT Alben. Und das ist auch gut so. Vor allem „Days of the Lost“ hätte so auch locker auf einer „Clayman“ oder auf Seiten von DT auf einer „Damage Done“ stattfinden können. Mir gefällts und ich freu mich auf das Gesamtwerk.

  4. Hellgore sagt:

    Hammeralbum! Unglaublich frisch und dynamisch, als Fan von schwedischem Melo Death Metal kriegt man die Vollbedienung: Melodie, Riffs, Heavyness, Tiefgang. Die Songs sind wie Mikael Stanne es beschreibt klar eine Hommage an die vergangenen Ruhmestaten von Dark Tranquillity und In Flames und ihre eigenen Helden der Jugend. Gleichzeitig klingen sie eben nicht eben einfach wie ein billiger Abklatsch oder „gewollt“, sondern wie ein müheloser Fluss von Kreativität mit viel Spielfreude. Ich glaube, mit den Hauptbands hätte das Material in dieser Form nicht funktioniert – was nichts gegen DT oder IF sein soll. Es ist diese Kombination aus alten Kumpels, die einfach mal wieder Dampf ablassen wollen, nostalgischer Betrachtung der Anfangstage als Musiker und der 30-jährigen Erfahrung, die sie mittlerweile mitbringen. Ich finde auch keinen schwachen Song, das Album ist aus einem Guss. Wird schwer, das zu toppen – obwohl ich schon sehr gespannt auf die neue Soilwork bin. Bislang für mich klar das Album des Jahres.

    10/10
  5. noehli69 sagt:

    Lässt sich ganz gut an, hab hier bei dem Song von Carcass die Hatework im Ohr statt in Flames aber nun gut. Wohl eher wegen der Gesangslinie. Werd ich definitiv antesten, wenn’s auch ein bissl aus der Zeit ist, zum Bierchen geht das ab.

  6. y34rz3r0 sagt:

    Ich kann nicht sagen, wie sehr ich mich freu, die alten Haudegen mit ja, neuem… altem Material wieder zu hören/sehen. Wie meine ich das? Mikael hat es selbst gesagt, letztlich sind die Songs, wie wir sie auf Days of the Lost zu hören bekommen, nicht neues an sich, denn sie repräsentieren perfekt den Göteborg Sound, den wir (hoffentlich) alle irgendwann zu lieben gelernt haben.
    Damit ist das Wichtigste schon gesagt, denn die Herren erfinden das Rad auf dem Album nicht neu. Nach Deena Weinstein (danke Nico Rose für diesen tollen Literaturtipp) sind wir also was das angeht in der Phase der Reproduktion gelandet . Allerdings machen sie etwas, dass ich mir von den Herren von In Flames schon seit mehr als 10 Jahren gewünscht hätte: sie machen das, was sie gut, ja verdammt gut können (auch wenn es nicht neu, und damit nicht wirklich aufregend ist)!
    Ich jedenfalls fühle mich beim Hören dieses Albums wieder zurück zum Anfang der 2000er katapultiert, zu Alben wie Clayman (In Flames) oder Damage Done (Dark Tranquillity) und kann den Herren um Jesper überhaupt nicht genug danken, denn es fühlt sich verdammt gut an (Ja, vielleicht überkommt mich hier auch die Nostalgie).
    Hier haben sich Freunde zusammengetan und subtrahieren wir hier das „n“, dann sind wir bei Freude und die spürt man auf dem Album vom ersten bis zum letzten Track. Das Album macht von der ersten bis zur letzten Sekunde Spaß zu hören und das (um mal etwas zu meckern) ohne einen wirklichen Hit zu präsentieren. Ich jedenfalls habe etwas mehr als 40 Minuten gegrinst, gebangt und gefeiert was meine Nadel hier vom Teller gekratzt hat und freue mich auf mehr.
    Kleiner Nachtrag: das Matt (Heafy) hier auch noch einmal kurz zu hören ist, freut mich als Trivium Fan auch noch einmal.
    Meine Wertung ist „nur“ 8/10, weil die 10 ist wie immer den ganz großen, unsterblichen Alben vorbehalten und da sind wir hier nicht und noch ein Punkt Abzug dafür, dass wir hier nicht wirklich etwas Neues zu hören bekommen. Ich weiß, Meckern auf sehr hohem Niveau…

    8/10
  7. Arcdude sagt:

    Tolles Album, das einfach Spaß macht. Es wird auf jeden Fall regelmäßig bei mir laufen. Zur 10 fehlen mir lediglich DIE Übersongs.

    8/10
  8. dan360 sagt:

    Wirklich sehr nices Teil! Vllt. doch mal mehr mit dem Göteborg-Sound auseinandersetzen..

    9/10