Manche Musiker, wie RUNEMAGICK zum Beispiel, könnten jedes halbe Jahr ein Album veröffentlichen, weil ihnen nie die Kreativität in ihrer Musikrichtung ausgeht. Andere Musiker, und da gibt es weit weniger, veröffentlichen mit einer Band ein Album in einem Stil und ziehen dann weiter, um etwas komplett anderes zu machen. Stilnomaden, oder so. MANES oder ULVER handeln so, mit dem Unterschied, dass sie die Arroganz besitzen, sich nicht umzubennen und das Line-Up weitestgehend beizubehalten.
THE GAULT, und ich schwöre, diese Band kennt kein Mensch, sind noch von einer anderen Sorte: nehmen 1999 ein Album auf, lösen sich sofort in alle vier Bestandteile auf und gründen neue Bands, oder steigen in bestehende ein. Schlagzeugerin Sarah sitzt heute bei AMBER ASYLUM auf dem Drumhocker, Bassistin und Sängerin Lorraine hat denselben Unterschlupf gefunden. Gitarrist John Gossard, vermutlich der Kreativkopf THE GAULTs, gründete WEAKLING und spielt heute in einer Band namens ASUNDER. Illustre Mischung, finde ich – die man „Even As All Before Us“ überhaupt nicht anhört.
Das Album ist Westen und Rock, durch und durch, aber kein Stück Rock’n’Roll. Vielleicht auch Wilder Westen, wenn man den Begriff etwas lockerer sieht. Am ehesten ist die Platte, übrigens 1999 auf CD von zwei kleinen US-Labels veröffentlicht, wegen des unüberhörbaren Stonereinschlags so west-lich. Zwar ist San Francisco, Hauptquartier der Band, nicht gerade die totale Wüste, trotzdem haben es die vier geschafft, die Schönheit eines Wüstenabends zu vertonen. Offengestanden: nein, ich habe nie einen Wüstenabend erlebt. Aber so stelle ich ihn mir vor: brütend, schwül, drückend, auf angenehme Art lähmend, betörend, durchzogen von Niedergang und durchschlagender Unendlichkeit und Breite, aber alles in allem wunderbar und bestechend schön. Dieses Erlebnis ließe sich sicherlich durch den Konsum anständigen LSDs noch potenzieren (da hab ich ebenfalls keine Erfahrung). Intensiv wirkt aber jedes der sechs Stücke schon für sich.
Mit ihren ruhigen, fließenden Songstrukturen schaffen es THE GAULT irgendwie, ich weiß nicht wie, ihre überlangen Songs dramatisch und bitter klingen zu lassen. Die Mittel sind spärlich: intelligent effektbeladene E-Gitarre, sehr monoton akkordisch gespielt, dazu ein dominanter, genialer Bass (selten so prägende Basslinien gehört, scheinbar haben Frauen das drauf, wenn man mal an frühe AETERNUS denkt), leicht marschierendes Schlagzeug und gequälter Gesang, der sich nie Aggressivität verliert. Hochgradig livetaugliche Musik, die man sich aber nur in Saloons und jenseits von 45° C vorstellen kann. Vergleiche bieten sich nicht wirklich an, auch wenn die Stimmung der vieler heute überaus erfolgreicher Prophecy-Productions-Bands sehr nahe kommt. Am nähesten allerdings späten IN THE WOODS…, wenn man die progressiven Ausflüge außen vor lässt und nur die Experimentierfreude und Eigenständigkeit stehen lässt.
So schwer „Even As All Before Us“ zu beschreiben ist, so wenig ist eine Beschreibung notwendig. Die Platte ist ohne große Worte ein wirklicher Geheimtipp, der Rockfans wie Stonerfanatikern, intellektuellen Studenten, selbsternannten Tiefemotionalen und Black Metallern gleichermaßen gefallen kann – man muss nur erkennen, wie basal und ergreifend die Musik ist. Eine echte Alternative zu ANTIMATTER zum Beispiel, kantiger, provokanter und irgendwie im wahrsten Sinne des Wortes auch „geiler“. Diese Wiederveröffentlichung gibt’s nur auf Doppel-LP in schwerem Vinyl beim Label Ván – ein echtes Zuckerstück. Zugreifen, bevor’s wieder zu spät ist!
THE GAULT sind ziemlich starker Tobak. Die Musik ist verstörend und düster zugleich. Zwischen psychedelischen Soundlandschaften und traditionell dunklem Darkwave (Marke: 80er Jahre) erzeugen die sieben Tracks (alle außer dem Intro mit Überlänge) eine enorm hypnotische Wirkung. Man hört hier die SWANS, etwas LYCIA und (rein musikalisch) sogar manchmal alte THE CURE. Gute Scheibe!