The Gathering - The West Pole

Review

Also ehrlich, mit Silje Wergeland möchte ich momentan nicht tauschen. Das liegt weniger daran, dass ich als männlicher Vertreter der Gattung Mensch nur bedingt fähig bin, gesanglich in ähnliche Höhen vorzudringen, sondern vielmehr daran, dass genannte Dame die neue Sängerin im Hause THE GATHERING ist – und damit eben auch Nachfolgerin von Anneke van Giersbergen, die bei vielen Fans der Niederländer mehr als „nur“ Sängerin, sondern Aushängeschild, zum Teil gar synonym mit THE GATHERING war.

Verfolgen wir diesen Gedanken für einen Moment. Was hat die Nachfolgerin Annekes für Möglichkeiten, eine Lücke zu füllen, die im Bewusstsein wohl nicht weniger Menschen so groß war, dass THE GATHERING eigentlich gleich zu Grabe hätte getragen werden können? Entweder sie macht etwas völlig Neues, versucht die Spuren von Anneke zu ignorieren und ihr Ding durchzuziehen – oder sie versucht tatsächlich, die Lücke zu füllen.

Beim Anhören von „The West Pole“ wird schnell klar: Es wurde letztere Alternative gewählt. Ob das eine Entscheidung war, die Silje allein getroffen hat, bezweifle ich ganz stark; die vier übrig gebliebenen Musiker von THE GATHERING werden sich nicht ohne Grund für sie entschieden haben, denn Fakt ist: Die Ähnlichkeiten zu Anneke in der Klangfarbe ihrer Stimme sind frappierend. Doch nicht nur das, auch die Gesangslinien, die Arrangements der mehrstimmigen Gesänge, die Phrasierung der Vocals, das alles ähnelt Annekes Gesangsleistungen sicherlich nicht zufällig.

Man kann es aber auch so formulieren: THE GATHERING sind – auch 2009, auch mit neuer Sängerin – immer noch THE GATHERING; und damit wird auch klar, dass trotz der Aushängeschild-Funktion, in die Anneke immer wieder hineingepresst wurde, die musikalische Qualität, das musikalische Handwerk in der instrumentalen Fraktion der Band begründet liegt. Und damit verlassen wir auch den Gedanken, dass die Essenz THE GATHERINGs in der (ehemaligen) Sängerin gebündelt sein könnte.

Denn auf musikalischer und technischer Ebene hat sich mit dem vermeintlich einschneidenden Wechsel offensichtlich nur wenig geändert: THE GATHERING verstehen es nach wie vor, wunderbar melancholische Musik zu schreiben, getragen von nur leicht oder gar nicht angezerrten Gitarren, mit ausgezeichnet arrangierten Synthesizern, ruhigem, aber dennoch dynamischem Schlagzeugspiel – und eben dem typischen Gesang, der auf den zum Trademark der Band gewordenen Harmonien aufbaut. Und nach wie vor versprühen die Songs ihr ureigenes Flair, das nur schwer zu beschreiben ist und das trotz aller Melancholie auch so etwas wie zuversichtliche Anklänge trägt.

Geändert hat sich dennoch etwas: Vergleicht man „The West Pole“ mit den letzten beiden Alben, dem sehr psychedelisch angehauchten „Souvenirs“ und dem sehr introvertierten und (vermutlich durch den Tod des Rutten-Vaters) schwermütigen „Home“, so wirkt das Arrangement wieder etwas fokussierter, die Produktion erdiger. Die clean gespielten Gitarren haben viel von ihrem Hall verloren und klingen bodenständiger, ihre verzerrten Pendants wirken wieder treibender als zuvor. Es wirkt, als hätten THE GATHERING versucht, sich auf „If_Then_Else“-Zeiten zu besinnen – nur sind diese schon seit ein paar Jahren vorbei, so dass das Material auf „The West Pole“ auf mich unwillkürlich ein wenig „angestaubt“ und für THE GATHERING-Verhältnisse zu wenig progressiv wirkt. Das ändert aber nichts daran, auch „The West Pole“ ein klasse Album mit einigen sauguten Songs geworden ist, das keinen Fan der Band enttäuschen wird.

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30.04.2009

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1 Kommentar zu The Gathering - The West Pole

  1. stendahl sagt:

    Super-Review. Was soll ich jetzt noch schreiben? Hätte ich das bloß erst nach meiner Rezension gelesen… :-/

    8/10