The Gathering - Nighttime Birds

Review

Das hätte wahrlich niemand erwartet: Ein kleine niederländische Band vermischt auf ihrem dritten Album kraftvolle Gitarren und sphärisch anmutende Keyboard-Teppiche mit sanft dahingleitenden elfenhaften weiblichen Vocals und das Rezept geht auf. THE GATHERING führten den Metal mit „Mandylion“ in neue Klangdimensionen und öffneten die Ohren so manch verbohrter Metaller für neue, sanfte Klänge. Das war 1995. In den letzten zwei Jahren versuchten sich etliche Kapellen an einer Neuauflage dieses Erfolges, doch fast alle scheiterten an der richtigen Mischung, wie z.B. LEFT HAND SOLUTION und klingen eher durchschnittlich oder abgekupfert, verglichen mit THE GATHERING .

Nun halte ich den Nachfolger von „Mandylion“ in meinen Händen und lausche verwundert der Musik, die mir da entgegenschallt. THE GATHERING haben geschafft, was kaum einem Künstler gelingt: Es erscheint einem, als hätten sie sich für „Nighttime Birds“ nur von den schönsten Songs der „Mandylion“ inspirieren lassen, um Songs zu entwickeln, die alles Gute übernehmen und noch weiter perfektionieren. Die gesamte Musik klingt dichter, fließender, kompakter und intensiver. Alles paßt noch besser zusammen. Songs wie „Fear The Sea“ oder „Leaves“ der „Mandylion“, bei denen teilweise die Vocals und die Musik etwas störend wirkten, fehlen völlig. Stattdessen finden sich etliche Kinder von „Eléanor“ oder „Sand And Mercury“, nur in einer Perfektion, die bisher noch keine Band zustande gebracht hat.

Sanfte Keyboardteppiche hüllen einen mit ihren verspielten Melodien ein, bauen Ströme positiver Energie auf, die sich in schnelleren Songparts entladen.The Gathering vollenden mit Nighttime Birds, was sie mit Mandylion begonnen hatten: Die perfekte Verbindung aus sanfter Melodie und kraftvollen Gitarren, zusammengeführt von den einzigartigen Vocals Anneke van Giersbergens. Seinen Höhepunkt findet das ganze im Song „Third Chance“, welcher wohl als einer der schönsten dieses Albums bezeichnet werden kann. Hier entwickeln THE GATHERING teilweise eine von ihnen bisher noch nie gehörte Geschwindigkeit, die einen aber nicht einfach überrollt, sondern einen mit sich reißt, umhüllt und alles vergessen läßt. Man kann sich dieser Musik einfach nicht entziehen. Es scheint, als dringe sie direkt ins Herz vor, um einen ganz langsam zu verwandeln, mit sich zu reißen und zu einem Teil der Musik zu machen. Die Wirkung von „Nighttime Birds“ ist ähnlich der von TIAMATs neuestem Werk „A Deeper Kind Of Slumber“, nur positiver Natur. Während einen TIAMAT in Depressionen verfallen läßt, so haben THE GATHERING die positive Energie auf CD gebannt, die man braucht, um diesen Gefühlen zu entkommen.

Auf diesem Album findet sich kein Song der stört, kein Song, der nicht in das Gesamtwerk hineinpaßt. „Nighttime Birds“ ist ein Album, was vom ersten bis zum letzten Song einfach perfekt ist. Jeder Song ist ein Kunstwerk, der aber alleine das gesamte Album repräsentieren könnte. Angesichts dieses Albums verblasst „Mandylion“ nahezu vollständig. Einfach nur wunderschön und vielleicht das Album des Jahres.

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24.05.1997

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5 Kommentare zu The Gathering - Nighttime Birds

  1. Watutinki sagt:

    „Einfach nur wunderschön und vielleicht das Album des Jahres.“

    Muss ja ein besonders schlechtes Jahr gewesen sein, wenn das Album des Jahres nur 8 Punkt erhalten hat.

    Neben ToT und den bis heute unerreichten The 3rd and the Mortal, die einzige Femal fronted Band, die mich damals (und eigentlich auch bis heute) überzeugt hat. Und Nighttime Birds ist ganz klar ihr Meisterwerk. Melancholische Melodien wie ich sie seitdem nicht mehr gehört habe, veredelt durch Annekes Gesang.

    10/10
  2. BlackForest sagt:

    Heute noch immer ein tolles album welches ich mir gerne anhöre!

    9/10
  3. Truhe2 sagt:

    Meine Jugendsünden hiesiger Reviews 🙂. „in einer Perfektion, die bisher noch keine Band zustande gebracht hat“ ist auch eine Formulierung, für die ich heute im Boden versinke. Als ob ich damals (oder heute) alle Bands kannte, um das beurteilen zu können. Mandylion ist für mich im Gesang nach wie vor das stärkste Album und Nightime Birds markiert für mich den Wendepunkt: Komplexere Songstrukturen, aber mehr Vibrato in ihrer Stimme. Diese stilistische Entscheidung im Gesang führte auch dazu, dass mich auch Live-Auftritte nicht mehr so ansprachen wie die eher kleinen Konzerten zur Mandylion-Zeit, weshalb ich damals evt. unterbewusst „nur“ 8 gegeben habe. Freilich erklärt das nicht 8/10 für das „Album des Jahres“. Als Lektor hätte ich diesen Widerspruch angeprangert, als damals 20-jähriger ist es mir nicht aufgefallen. Es gibt etliche Reviews hier von mir, bei denen ich heute nur denke: Ohgottogottogott 🙂.

    7/10
  4. Watutinki sagt:

    So lange der Reviewer prinzipiell etwas mit dem Genre anfangen kann, finde ich derartige Spitzifindigkeiten im Text ja eigentlich ganz spannend. :))
    Viele ältere Alben, auf denen die Musiker noch keine Virtuosen an den Instrumenten waren, finde ich teilweise auch sympathischer, besser, als die späteren Alben. Einfach schon weil diese Alben noch nicht so „perfekt“ waren. Hat was ehrliches und persönliches an sich.

  5. BlackForest sagt:

    Eines der Alben die ich immer wieder gern auflege!
    Hat den Test der Zeit locker bestanden!
    Für mich klare 10 Punkte

    10/10