Eine lange Nacht neigt sich dem Ende zu, als am frühen Morgen Nebel aufsteigt und die Sonne vergeblich versucht, sich gegen den dicken Dunst durchzusetzen. Es ist kalt, die Luft ist feucht… der Herbst hat die Welt im Griff. Müde steige ich in die glücklicherweise leere Bahn. Um diese Zeit liegen die meisten Menschen noch im Bett. Ich breite mich auf einer Sitzbank aus, schalte den MP3 Player ein und blicke gedankenverloren aus dem Fenster. Aus meinen Kopfhörern dringt ein immer lauter werdendes Feedback von Amps, das sich sich schließlich in ein triumphales Riff ergießt. Die Drums setzen ein und eine wundervolle Stimme dringt an mein Ohr, als die Landschaft scheinbar in Zeitlupe an mir vorbei zu ziehen beginnt.
Der Song scheint für meine Reise geschrieben worden zu sein, denn das treibende Drumming und die melancholische Gitarrenarbeit, die den Gesang erst richtig wirken lassen, packen mich direkt am Herzen. „Autumn has truly taken us into its cold and bony embrace“ sagt S.L., der kreative Kopf hinter THE DEVIL’S BLOOD über dieses Album – wie recht er doch hat. Ich überlege, ob ich den Opener noch einmal genieße, denn schon nach einmaligem Hören spüre ich ein unerhörtes Suchtpotenzial.
Doch der Zug fährt weiter und ich begebe mich mit den Niederländern auf eine lange Reise. Nächster Stopp: der “River Of Gold“. Dort erwarten mich Riffs, die eine gewisse Inspiration aus dem Hard Rock der 80er nicht verbergen können. Erneut hat das Stück viel Drive, klingt gleichzeitig aber auch sehr entspannt. Frontsirene F. verzaubert auch diesen Song mit ihrem zauberhaften Gesang und mich mit einem wehmütigen Refrain. Ich wünschte, diese Reise würde niemals enden.
Das Rattern der Räder des Zuges auf den Schienen holt mich kurzzeitig in die Realität zurück, die Hälfte des Weges ist bereits erreicht. Doch ich verdränge den Gedanken daran und klammere mich an den Zug wie die letzten Blätter an die Bäume. Immer wieder mischen sich obskure Klänge in meine akustische Reiseuntermalung. “The Heaven’s Cry Out (For THE DEVIL’S BLOOD)“ zieht mich in einen Strudel aus Soli, Effekten und abgedrehten Synthesizerklängen. Die Gitarren sind wieder zu den 70ern zurückgekehrt und verbreiten ein nostalgisches, fast wehmütiges Gefühl. Der Song scheint schon vorbei, da holt mich noch einmal der Gesang der unnahbaren Dame ein. Diese Stimme, so vielseitig, so kräftig, ich kann mich ihr nicht entziehen.
Ich wache auf, erneut ein Stop, ein menschenleerer Bahnhof. Wo ich bin? Kann ich nicht sagen. Ein kurzes Rucken und der Zug setzt sich wieder in Bewegung, lauter als gewohnt. Ein schöner Midtempostampfer von ROKY ERICKSON. Der Song fügt sich nahtlos in das Gesamtwerk ein, auch wenn er nicht ganz so melancholisch wie der Rest klingt. Recht nah am Original, grandioser Classic Rock, warum habe ich von dem Amerikaner vorher noch nie etwas gehört? Ich nehme mir vor, direkt nach meiner Ankunft nach Tonträgern des Herren zu suchen.
Ein finaler Halt. Der letzte Teil der Strecke wird noch einmal lang, über zehn Minuten. Und doch kann er mir nicht lang genug sein. Psychedelische Gitarren und sehr dezentes Drumming begleiten mich die letzten Kilometer. Als der Gesang einsetzt, verlangsamt sich erneut die Szenerie, die Welt wird aus ihren Angeln gehoben . Monumentale Soli setzen ein, schneiden sich in mein Ohr, setzen sich fest. Die Landschaft zieht immer langsamer und langsamer an mir vorbei, ich schließe meine Augen. Während ich Solo um Solo genieße, durchfahren mich immer wieder heiß-kalte Schauer. Der letzte Abschnitt dieser Reise ist ohne Zweifel der schönste. Ich würde wohl nicht lügen, wenn ich behaupte, dass ich selten derart tiefgreifende und emotionale Musik gehört habe.
Der Zug kommt an seinem Zielort an, als die letzten Töne der Gitarre verstummen. Der Nebel scheint noch dichter als zu Beginn der Reise, so dass sich Lokführer und Kontrolleur kaum sehen, als sie die Bahn verlassen. „Mal wieder kein einziger Fahrgast“, stellt der Kontrolleur mit Blick auf die menschenleeren Abteile und den verlassenen Bahnsteig fest.
We, THE DEVIL’S BLOOD, ask you to join us in our commiseration of the end that returns each year.
da wären aber auch 9 Punkte absolut gerechtfertig gewesen, schon alleine wegen diesem ohrgasmischen Solo auf "Voodoo Dust", werter Kollege 😉