The Cryptex - Nimbus

Review

Aus CRYPTEX wird THE CRYPTEX – ein Neustart also für Simon Moskon und seine Mannen? Der aus dem als Single ausgekoppelten High-Energy-Rocker „Fall Down“ und dem aggressiv-metallischen „Cobra“ bestehende Eröffnungs-Doppelpack sagt „ja“. Der Sound tönt direkter und wuchtiger, die Arrangements sind geradliniger und weniger verspielt als man es von den früheren Alben der Band kennt. Wenn dann aber „Sugarleaf“ seine volle stilistische Bandbreite zur Entfaltung bringt, zeigt sich, dass THE CRYPTEX noch immer mehr musikalische Genres bedienen als die meisten Festival-Line-Ups.

„Holy Ground“ schlägt in eine ähnliche Kerbe, bringt aber jene leichtfüßige Lebensfreude zurück, die THE CRYPTEX auf „Good Morning, How Did You Live?“ und „Madeleine Effect“ noch im Überfluss verströmten und welche der Albeneinstieg von „Nimbus“ geradezu sträflich vernachlässigt. Der Titelsong beginnt dann mit einer geradezu doomigen Schwere, um in der Folge rasch an Tempo zuzulegen und zum Refrain hin in opulenten QUEEN-Gedächtnis-Chören aufzugehen. Fehlen eigentlich nur noch die folkigen Retro-Prog-Sprenkel, welche – man ahnt es schon – das folgende „Devils Casino“ bereichern.

Den unausweichlichen Schiffbruch stets vor Augen

Es ist kaum zu glauben, was hier in rund vier Minuten alles passiert. THE CRYPTEX springen so gekonnt zwischen auf dem Papier unvereinbar erscheinenden Stilmitteln hin und her, dass daraus am Ende dennoch stets schlüssige Kompositionen entstehen, die viel größer wirken, als sie es eigentlich sind. Wir befinden uns zur Albummitte also bereits hart auf 10-Punkte-Kurs, wobei die Musiker so hart am Wind zwischen Killer-Riffen und rhythmisch donnernden Brechern hindurchmanövrieren, dass ein Schiffbruch geradezu unausweichlich erscheint.

THE CRYPTEX scheißen auf Konventionen

Das THE CRYPTEX ganz gepflegt auf Konventionen scheißen, zeigt die Platzierung des CD-Bonustracks „Somanoid“ als Einstieg in die zweite Albumhälfte – Vinyl-Liebhabern bleibt indessen „Backdoor Lover“ als exklusives Goodie vorbehalten. Nicht ins Hintertürchen, dafür aber umso tiefer in die Gehörgänge bohrt sich der hymnische Prog-Ohrwurm „How Many Days“, dessen 80er-Jahre-Pomp-Finale gerade kurz genug ausfällt, um nicht im Kitsch zu ersticken. Zum Start von „Nevermore Creek“ setzen THE CRYPTEX dann die schon beim „Once Upon A Time“-Album erprobten Cowboy-Hüte auf und geben eine überzeugende Country-Hommage ab. Wer nun aber Angst vor kaugummiezähen THE-BOSSHOSS-Allüren hat, kann dem Stück ruhigen Gewissens dabei zuhören, wie es die Kurve über beschwingte Jazz-Parts hin zu einem epischen Bombast-Rocker kriegt.

Und wenn man denkt, es kann nicht mehr verrückter werden, paart „Abyss“ folkige Geigenklänge mit fetten Gang-Shouts, an Ennio-Morricone-Soundtracks erinnernden Zwischenspielen und einem spacigen Synthie-Prog-Outro. Nach diesem Wechselbad der Gefühle bietet sich „The Day We Will Meet Again“ als Verschnaufpause an. An dem gemeinsam mit der schwedischen Künstlerin Jonna Jinton geschaffenen Epos dürften auch Fans von atmosphärischem Post-Black-Metal wie SÓLSTAFIR oder BE’LAKOR Gefallen finden. Zum Abschluss gibt es mit „Son Of Fortune“ dann noch einmal klassischen Prog-Rock mit einer funkigen Gitarrenmelodie und die Erkenntnis, dass THE CRYPTEX tatsächlich auf Kurs geblieben sind.

Unersättliche Innovationsgier und grenzenlose Kreativität

„Nimbus“ ist alles andere als leichte Kost, sondern das vielleicht forderndste Klangerlebnis, welches mir in diesem Jahr untergekommen ist. Lässt man sich jedoch mit ganzem Herzen auf die facettenreichen Kompositionen von THE CRYPTEX ein, kann man sich in diesem Album für lange Zeit verlieren und die geradezu unersättlich wirkende Innovationsgier der Musiker in sich aufsaugen. Dieses mutige und dennoch absolut makellose Album kommt der perfekten Verkörperung wahrhaft grenzenloser Kreativität wirklich verdammt nahe!

22.09.2023
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