The Chant - A Healing Place

Review

THE CHANT veröffentlichen mit „A Healing Place“ ihr mittlerweile drittes Studioalbum. Stilistisch bewegen sich die Finnen in den Bereichen Postrock und Melancholic Rock, schweifen dabei aber gelegentlich auch in Ambient- und Experimental-Gefilde ab. Querverweise finden sich zu KHOMA, MAYBESHEWILL, KATATONIA und entfernt auch PORCUPINE TREE. Bis auf eine Ausnahme weisen alle der acht Songs Überlänge auf, bereits der Opener „Outlines“ sprengt die Acht-Minuten-Marke.

Die Kompositionen enthalten – zunächst ganz nüchtern betrachtet – die typischen Bausteine aus dem Postrock-Baukasten: ausladende Instrumentalparts und weite Spannungsbögen, verschwommene Delays und Synthie-Teppiche, moderat eingesetzte Gesänge und eine grund-melancholische Melodiearbeit. Zudem ist „A Healing Place“ mit einem sehr warmen, homogenen Sound ausgestattet, der den Songs ein sehr stimmiges und griffiges Klangbild verleiht.

Der bereits angesprochene Opener steht exemplarisch für das vielschichtige Songwriting der Finnen: Nach dem kurzen Gitarrenintro von „Outlines“ erhebt Sänger Ilpo Paasela seine fragile Stimme, nach und nach kommen seine restlichen Mitstreiter hinzu und verleihen dem Song allmählich mehr Fundament. Nach mehreren minimalistisch gehaltenen Atempausen folgt ein letztes Intermezzo mit einem klagenden Saxophon, bevor der Track nach etwa fünf Minuten seinen  Höhepunkt erfährt – zunächst mit mehrstimmigen Clean-Gesängen, dann sogar mit dezent eingesetzten Screams. Spätestens jetzt stellt sich jenes wohlige Gänsehaut-Feeling ein, für welches man das Genre so liebt.

In eine ähnliche Richtung bewegt sich zu Beginn das folgende „Spectral Light“, welches mit wunderbar eingängigen Keys auf einen mitreißenden Quasi-Refrain zusteuert – auch wenn man die Songs der Finnen kaum in ein starres Struktur-Schema pressen kann. Das folgende, stark mit KATATONIA-Schlagseite versehene „Riverbed“ ist einer der großartigsten Songs, die ich in den letzten Jahren gehört habe, beim introvertierten „The Black Corner“ zeigen sich die Finnen dann eher von ihrer experimentellen Seite. Das sehr verhaltene „My Kin“ wiederum überzeugt mit viel Atmosphäre, das abschließende „Regret“ bildet dann den krönenden Abschluss und vereint nochmals alle Stärken der Band.

Es gibt Momente, in denen man sich relativ sicher ist, dass in einem Genre schon alles ausprobiert wurde und dass einen nichts mehr wirklich überraschen kann. Den Herrschaften von THE CHANT jedoch gelingt mit ihrem besonderen Sound und ihrer eigenständigen Interpretation von düsterer, melancholischer Gitarrenmusik eben genau das. Vor allem die fesselnde Atmosphäre, welche die Songs bereits nach wenigen Durchläufen entfachen, die eindringliche Stimme von Paasela und das herausragende Songwriting der Finnen machen „A Healing Place“ zu einem wunderbaren Album. Natürlich ist es am Ende meine persönliche, bescheidene Meinung. Aber ich wüsste nichts, was in diesem Fall gegen die Höchstnote sprechen sollte. Notfalls stehe ich mit meiner Meinung auch gern alleine da – sehr gern sogar.

12.09.2012
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