The Casualties - Chaos Sound

Review

Bei den CASUALTIES scheiden sich die Geister in den mit Iro verzierten Schädeln: Kommerzialisiert seien die Jungs, die DIY-Attitüde werde von dem überbordenden Merch-Angebot schier totgeprügelt. Sicher ist da so einiges dran, aber allen Vorwürfen zum Trotz sind die vier New Yorker seit fast drei Jahrzehnten on the road und damit auch nicht mehr aus der Szene wegzudenken, ob man sich’s nun wünscht oder nicht. On the road wortwörtlich, schließlich findet man sie regelmäßig an ganz und gar unheimischen Gestaden, auch in europäischen Clubs schauen die CASUALTIES gern immer mal wieder vorbei. Die Schuppen sind dabei auch meist gut gefüllt. Jetzt liefern die Ami-Punx neues Futter für die nächste Live-Eskalation: 15 Songs voller „Chaos Sound“!

Wer die CASUALTIES nicht kennt, dürfte schon beim Intro augenrunzelnd die Lautstärke runterdrehen: Operesker Gesang strömt hier für 39 Sekunden aus den Boxen. Nach Ablauf des musikalischen Exkurses geht’s dessen ungeachtet aber altbekannt weiter: Flotte Drums, schrammelnder Bass, treibende Gitarren und der mehr als markante Gesang von Fronter und gleichzeitig dem einzigen durchgängigen Bandmitglied Jorge Herrera. Zum Titeltrack gibt’s auch ein Musikvideo, spontan gedreht in einem Hinterhof mitten im Osten von Los Angeles. Auch wenn man die Texte gewohnterweise kaum versteht, geht’s wohl wieder um das Klischee: Jungs von der Straße, keine Perspektive, dann macht man halt mal Party. Irritierend nur die Zeile „No right wing fascists or left wing fools“… betont unpolitisch, aber im Promomaterial von Hymnen für den Kampf gegen „das oberste Prozent“ sprechen? Und sprang Herrera nicht noch zum Musikvideo des namensgebenden Songs zwei Alben davor mit Guevara-Shirt durchs Bild? Was soll’s, vielleicht sind manche Vorurteile ja doch wahrer als gedacht.

Musikalisch geht’s feuchtfröhlich weiter, Gangshouts in Masse und ab und zu mal ein kurzes Solo. „Running Through The Night“ sticht da heraus, „Murder Us All“ ist überraschend aggressiv, „Work Our Lives Away“ könnte man auch in einer Arbeiterkneipe nach Feierabend spielen. Bei „Keep Your Distance“ zappelt der Mittelfinger in F.O.A.D.-Manier, bei „In The Lost City“ kommt Mitgröllust auf. Wem die Melodie bei „R.A.M.O.N.E.S“ überraschend bekannt vorkommt, darf beruhigt sein: Ein Motörhead-Cover ist schließlich obligatorisch, obwohl man beim Recording der Platte im Herbst letzten Jahres sogar davon ausgehen kann, dass die Intention nicht das Abgreifen vom Ruhm verblichener Legenden gewesen ist. Hofft man zumindest.
Ein typisches CASUALTIES-Album also. Herrera gewohnt am Speicheltröpfchen verspeien und die Straßenjungs-Attitüde wird auch zu Genüge bedient. Trotzdem bleibt „Chaos Sound“ etwas hinter dem Vorgänger „Resistance“ zurück, da fehlen einfach die Ohrwürmer wie beispielsweise das grandiose „Corazones Intoxicados“. Schade, hätte mehr drin sein können.

 

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22.03.2016

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