The Axis Of Perdition - Deleted Scenes From The Transition Hospital

Review

Diese Promo muss man mit Kettenhandschuhen anfassen. Ihr kennt vielleicht „Das große Monsterhandbuch“ aus einem der Harry-Potter-Filme? So muss man sich dieses Album vorstellen, es zetert, kreischt, beißt und windet sich aus jedem Versuch, es gerne haben zu wollen oder zu verstehen. TAOP sind Briten bis aufs Blut, mit sperrigem und sehr gewöhnungsbedürftigem Musikgeschmack. Stilbezeichnungen lassen wir mal außen vor, weil sie nach unseren deutschen Kriterien nicht greifen. Sicher ist zunächst mal: wer unter „Industrial“ so etwas wie FEAR FACTORY versteht, der kann jetzt auf seinem Browser den Button „Zurück“ betätigen.

Wenn Ihr jetzt noch hier seid, erwartet Euch eine düstere, klaustrophobische Angelegenheit, mit bis zur Unkenntlichkeit verfremdeten synthetischen Sounds, Klängen, Samples und Kollagen, einem echt abgefuckt programmierten Drumcomputer, tiefen wummernden Gitarren und völlig schrägen und garantiert atonalen Tonkombinationen, die von nervenzerreißenden Schreien durchzogen sind. Strukturen, Parts, Patterns, Harmonien oder feste Taktzahlen gibt’s hier nicht. Für den gewöhnlichen Konsumenten ist das unerträglich und dient auch garantiert keinem Hörgenuß, sondern schlicht und einfach der Beschwörung einer postapokalyptischen, feindlichen Atmosphäre, die kein „Alien“-Film und kein PC-Spiel so intensiv erzeugen könnte. Die Verzweiflung des Großstadtmenschen, der Wahnsinn des Klardenkenden, Verlassenheit und allumfassende Angst, komprimiert in die schwarzen, verfallenen Räume des „transition hospital“, sorgen beim Rezipienten dieses Psychosounds für den unbedingten Wunsch, wegzulaufen und sich im warmen weichen Bett zu verstecken.

Besonders schlimm ist die Sache, weil THE AXIS OF PERDITION die hohe und fast vergessene Kunst der Wortmalerei beherrschen. Liest man die Songtitel aufmerksam („In The Hallway Of Crawling Filth“, „The Elevator Beneath The Valve“, „Pendulum Prey“, „Isolation Cubicle 312“, „This, Then, Is Paradise?“, „One Day You Will Understand Why“ usw.), tauchen sofort Bilder im Schädel auf. Riesige Hallen, voll mit rostigen medizinischen Instrumenten, Staub und Schutt, ein Pater Noster aus verfaultem Holz, ein riesiges schwarzes Pendel in der Dunkelheit, ein blutiger riesiger Rollstuhl, die Personifikation einer tiefen, furchtbaren Ernüchterung. Wenn man sich auf diesen kleinen privaten Horrortrip einlässt, spürt man erst, wie gut und realistisch dieses Album eigentlich ist, auch wenn natürlich den Bogen ein bisschen überspannt. Die „gelöschten Szenen“ sind weniger ein musikalisches als ein atmosphärisches Meisterwerk, mehr Hintergrund als Blendwerk, mehr Tiefe als Eingängigkeit.

In der letzten Zeit habe ich selten eine CD gehört, die man auch so erleben kann wie es sich die Musiker wohl vorgestellt haben, mit der sich aber nur beschäftigt, wer die Zeichen der geilen Digipack-Aufmachung schon richtig gedeutet, zwischen den Zeilen der vernichtenden Reviews gelesen hat und sich selbst als Kämpfer mit einem Werk versteht, wenn es das erfordert. Das ist etwas, was code666-Bands ohnehin aus dem FF beherrschen und das sowohl dieses Label allgemein als auch TAOP im Besonderen als echte Kunstliebhaber auszeichnet. Sperrige, ätzende Kunst, aber immerhin Kunst.

10.05.2005
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