The Agonist - Once Only Imagined

Review

Wow, das ist ja der absolute Wahnsinn! Ich musste mich schon zweimal vergewissern, dass das Gebrüll, das mir just beim Opener „Rise And Fall“ aus den Boxen entgegen schallt, tatsächlich einem weiblichen Stimmorgan zuzuschreiben ist. Man kennt das ja von einem ganzen Haufen Gothicmetalbands: harte Growls/Screams/Shouts treffen auf zarten, fragilen und einfach schönen Frauengesang. THE AGONIST haben das, ich nenne es gerne „Die Schöne und das Biest“-Schema, im Grunde auch aufgegriffen. Der Unterschied: sämtliche Gesangstaten der Band sind Frontfrau Alissa White Gluz zuzuordnen; Angela Nathalie Gossow (ARCH ENEMY) trifft auf Amy Hartzler (EVANESCENCE), was an sich einfach nur cool und beachtlich ist. Ein unwichtiges aber erfreuliches Detail: Alissa kann nicht nur kraftvoll und variabel ihre Stimmbänder strapazieren, sie sieht auch noch ziemlich heiß aus.

„Once Only Imagined“ präsentiert sich zum Glück nicht nur bei den Vocals abwechslungsreich, sondern weiß auch im Instrumental zu gefallen und ab und an zu überraschen. Fetter Groove mit treibendem Langzeitdoublebass, exzellent platzierte, plötzliche Breaks und ebenso überraschende Rhythmuswechsel, gefühlvoll ruhige Akustikpassagen – all das trifft auf THE AGONISTs erstem Album unter diesem Bandnamen – vorher nannten sie sich THE TEMPEST – zusammen. Dabei beweisen die Musiker ziemlich viel Finesse beim Verschmelzen der einzelnen Stilelemente, was sich wohl nicht zuletzt auf ihre technischen Fähigkeiten zurückführen lässt. Diese nämlich sind ausgezeichnet, sodass die Songs allesamt absolut sauber eingespielt und sehr geschickt arrangiert sind – THE AGONIST haben dafür scheinbar ein Händchen. Auch produktionstechnisch hat die Band ihre Arbeit sauber erledigt: fetter, drückender Sound, der einfach zur Musik passt, stellt das Klanggewand dar. Genretechnisch bewegt die Band sich zwischen melodischem Death und Metalcore, angereichert mit einer Prise Alternative Rock a la EVANESCENCE, die sich grade in den Refrains, welche sich oft durch hohen Ohrwurmfaktor auszeichnen, stark abzeichnet. Man höre nur den Schlusssong „Forget Tomorrow“. Wenn die Strophen nicht wären, allein anhand des Refrains würd‘ ich schwören, dass ich hier was Neues von Amy und ihren Bandkollegen höre. Ich gebe meine Stimme übrigens dafür ab, das Ganze einfach unter dem Begriff Modern Metal zusammenzufassen.

Auch wenn THE AGONIST ihre Hausaufgaben in fast allen Bereichen sehr ordentlich gemacht haben, mangelt es „Once Only Imagined“ leider an einem ganz deutlich: Seele. Trotz vieler Stärken wirkt das Album im Gesamten recht oberflächlich; eine fette Produktion, technisch einwandfreie Songs und eine gut aussehende Frontfrau – das geht schon ein wenig in Richtung Erfolgsschema X. Daraus resultiert ein weiteres Problem der Platte. Nach dem Durchhören, auch nach mehreren Durchgängen, bleibt nicht sonderlich viel hängen, jedenfalls bei mir nicht. Fans von ARCH ENEMY, IN THIS MOMENT oder EVANESCENCE sollten dennoch in das Album reinhören. „Once Only Imagined“ ist ein durchweg solides Werk, das seine Anhänger finden wird.

31.08.2007
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