Es soll Platten geben, die schlechte Alben, aber gute Hörbücher sind. Und ab und zu hört man CDs, die zwar einen netten philosophischen Diskurs bieten, das Label allerdings lieber als die Ambientscheide des Jahrzehnts veröffentlichen will. Beim Debütalbum „Tree Of Lie“ der Polen von TERMINAL erreicht der Interessenskonflikt jedoch ganz neue Maßstäbe. Denn möchte es sowohl das Label, als auch die Band als kinderzimmertauglichen Crossover sehen, ist es in dieser Hinsicht aber mehr als enttäuschend, und kann sich ausschließlich deswegen auf sieben Punkte retten, weil es darüber hinaus ein überraschend starkes Progrockwerk ist.
Also nochmal alles auf Anfang und ein wenig Ordnung in die Sache. TERMINAL ist eine sechsköpfige Band aus Poznan mit verdächtig gutem Fotoposing und „Tree Of Lie“ als erster Full-Length-Veröffentlichung. Unkomplizierterweise sind alle zwölf Songs identisch aufgebaut: Riffige Strophen, vorhandene Soli und spätestens in der Bridge der Auftritt weitläufiger Synthiestreicher, die aus dem tightem Gegroove plötzlich melodramatische Epen machen. Der Gesang von Daniel Moszczynski geht dabei sowohl in seinen Rapausflügen während den Gitarrenparts, als auch clean in den Refrains absolut in Ordnung und ist ebenso wie der Rest sauber abgemischt.
Spätestens ab dem dritten Song wird aber jedem Crossoverfan auffallen, dass die Platte so eingängig wie eine Schönbergsonate ist. Zwar versuchen die Polen die Nummern gerade nach Hause zu fahren und schreiben sie tendenziell refrainlastig, aber dank etlicher Spuren und einer zugegebenermaßen auch recht anspruchsvollen Melodik ist die Ohrwurmigkeit nicht der Rede wert.
Glücklicherweise hat das Sextett aber nicht nur LINKIN PARK und Konsorten, sondern auch ne Menge SYMPHONY X und vor allem DREAM THEATER gehört. So finden sich ständig irgendwelche wirklich ernstzunehmenden Keyboardsoli vor, und auch darf man sich mitunter auf ungerade Takte und in „Deep Inside“ auf ein GEORGE-MICHAEL-Gedächtnissaxophon freuen. Tatsächlich hat mich „Tree Of Lie“ auch mehrfach an die Solowerke von James LaBrie erinnert – die ja auch schonmal Songs um die vier Minuten auffahren konnten. Gerade wenn die Gitarren mal etwas mehr machen dürfen, wie in „Brand New Sin“ oder „Behind The Mask“ macht das ne Menge Spaß und kann öfter als nur einen Durchlauf lang überzeugen.
Wer also mal die ungewöhnliche Mischung Prog / Rap ausprobieren will, kann hier getrost zuschlagen. „Tree Of Lie“ ist ein stimmungsvolles Werk, das zwar nicht ewig begeistern kann, aber dank des innovativen Genremix öfter gehört werden kann, als die letzte LINKIN PARK. Wenn man das im Laufe der nächsten Alben noch perfektioniert, dürfen die Polen sogar bei Insideout landen.
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