Tengger Cavalry - Cian Bi

Review

Es müssen ja nicht immer gleich Vikinger, Ritter oder Trolle sein, die den lyrischen Kern des Folk Metal bevölkern – TENGGER CAVALRY haben seit 2010 die mongolischen Nomaden durch die musikalische Landschaft reiten lassen. Das hat dieses Jahr leider ein Ende gefunden, als Nature – Frontmann und Gründer der Band – beschlossen hat, die Band aufgrund der Erfahrungen, die er mit einer korrupten Musikindustrie machen musste, aufzulösen. Im entsprechenden Facebook-Post der Band wird sein Ekel gegenüber gewissen Schlüsselpersonen deutlich, die seinen Status als asiatischen Einwanderer in den Staaten schamlos ausnutzten. Da ist es eine Schande, dass die Band mit ihrem nun wohl letzten Album „Cian Bi“ eigentlich für genau das Gegenteil einstehen – für ein Miteinander, ein Füreinander, das die gesellschaftlichen Grenzen von Nationalität und Ethnie überwinden soll.

„Cian Bi“ – Ein letztes Aufbäumen gegen eine gefühllose Welt

Und mal ganz aufs wesentliche herunter gebrochen steht der Folk Metal an sich ja schon für die Fusion, oder besser: Koexistenz zweier oder mehrerer unterschiedlicher, kultureller Welten, wie man sie so im Einklang sonst nicht vermuten würde. Allein durch seine enorme Präsenz kommt es uns nur nicht mehr seltsam vor, wenn traditionelle Volksmusik und Metal zueinander finden und entweder eine rauschende Orgie im Kettenhemd feiern oder ein intensives, atmosphärisches Erlebnis von epischem Ausmaß kreieren. Im Gegenteil: Es ist zu einem festen Bestandteil der Metal-Szene geworden, innerhalb derer sich wieder mehrere Unterkategorien des Folk Metal gebildet haben, über die eifrig und tiefsinnig diskutiert und philosphiert wird. Und am ehesten auf der Hand liegt natürlich die Fusion des Metal mit dem eigenen, kulturellen Hintergrund, worauf letzten Endes TENGGER CAVALRY fußten, wiederum gegründet in China von Nature Ganganbaigal, der später in die Vereinigten Staaten ausgewandert ist. Und „Cian Bi“ lässt die mongolischen Nomaden noch einmal – ein letztes Mal – durch die raue Landschaft reiten. TENGGER CAVALRY haben die Zerfahrenheit, die sich der Vorgänger noch hat vorwerfen lassen müssen, zum Großteil erfolgreich abgeschüttelt, sich aufs Pferd geschwungen und nehmen den Hörer mit auf einen deutlich konsistenteren Ritt.

Es gibt nur eine Richtung: nach vorne. Nach atmosphärischem Intro, das im Lichte der Auflösung der Band fast schon einem Requiem gleichkommt, geht die Reise los. Galoppierende Rhythmen dominieren den Sound, die durch harsche Gitarren untermalt werden. Und die graben sich richtig in den Dreck hinein, um diesen aufzuwirbeln. „Cian Bi“ kommt roh und aggressiv daher. Offensiv packt das Album zu und zerrt den Hörer aus dem Sessel heraus zieht mit ihm durch die Landschaft. Diese neue Fokussierung auf drückende, galoppierende Songs lässt anfangs ein wenig Zweifel ob der gebotenen Abwechslung aufkommen. Und auch wenn die Band ihren Sound innerhalb des Albums oft nur marginal variiert, fühlt sich „Cian Bi“ dennoch nicht eintönig an. Eher kommt es vor, als hätten TENGGER CAVALRY ihr Songwriting einer gewissen Selbstdisziplin untergeordnet, nein besser: Es fühlt sich richtig an wie von unzähligen Schlachten gezeichnete Krieger, die über ihr Handwerk und dessen Implikationen und Sinn reflektieren. Statt Anbiederung und zwanghaftem Biegen und Brechen mit etablierten Regeln innerhalb ihres Sounds zu Gunsten von Radiofreundlichkeit oder dergleichen stehen einerseits eine herausfordernde Rohheit, andererseits aber auch – eben – der Folk im Mittelpunkt, der das melodische Fundament der Musik darstellt.

Der letzte Ritt der TENGGER CAVALRY

Und es ist erstaunlich, wie sehr die traditionellen Instrumente wie die mongolische Pferdekopfgeige oder Folk-/Humppa-Klassiker wie die Maultrommel zu dem harschen Sound beizutragen imstande sind. Nature überzeugt dazu durchweg mit der traditionellen Gesangstechnik des Kehlkopfgesanges, die seltsamerweise gelegentlich an Vorph von SAMAEL zu deren etwas experimentelleren Tagen denken lässt, besonders wenn Natures Stimme in die atmosphärischeren Passagen eingebettet ist wie im wortlos gehaltenen „Chasing My Horse“ oder „Ride Into Grave And Glory“. Umso stimmungsvoller geraten dann die hymnischen Momente, in denen die klare Stimme zum Einsatz kommt – bei den Refrains von „Redefine“ und „One Tribe Beyond All Nation“ könnte man glatt wegfliegen.

„Cian Bi“ hätte an sich ja gar nicht der Schlusspunkt von TENGGER CAVALRY sein müssen und war vielleicht auch nicht als solcher konzipiert. Denn gerade textlich bemüht sich die Band auf einem Großteil der Tracks darum, ein Bild von Hoffnung, Perspektive und Einigkeit zu zeichnen, ohne jedoch auch so klassische Folk- respektive Pagan-Themen wie Ruhm auf dem Schlachtfeld und die Ehre gegenüber der eigenen Vorfahren auszulassen. Es herrscht eher eine Art optimistischer Kampfgeist vor. Und auch wenn mit „Just Forgive“ ein fast schon Post-Grunge-artiger Song auf dem Album tummelt, der nicht so ganz zum Rest der Trackliste passen möchte und zudem einen leichten Durchhänger darstellt, so untermauert der restliche, musikalische Anteil von „Cian Bi“ diesen Eindruck von Optimismus durch seine Qualität. Trotz dem kleinen Durchhänger ist „Cian Bi“ ein schönes, raues Folk-Metal-Album geworden, in dem sich die Band auf ihrem letzten Ritt noch einmal würdig in Szene setzt.

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06.03.2018

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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6 Kommentare zu Tengger Cavalry - Cian Bi

  1. dummer Besserwisser sagt:

    Tengger Cavalry wurden nicht in den Staaten gegründet sondern 2010 in China als 1-Mann Band. Erst 2014/2015 ist Nature für sein Studium in die Staaten ausgewandert.

    1. Michael Klaas sagt:

      Danke für den Hinweis, du hast natürlich vollkommen recht. Wird geändert.

  2. Doktor von Pain sagt:

    Und das war dann auch der Zeitpunkt, ab dem die Band nix mehr getaugt hat.

  3. DieBlindeGardine sagt:

    Ich muss sagen, dass die mir früher, als die Musik bis auf den hier und da eingestreuten Kehlgesang noch überwiegend instrumental war, deutlich besser gefallen haben. Der englische Gesang wirkt irgendwie wie gewollt und nicht gekonnt und nimmer der Musik ein Stück von ihrer Urigkeit.

    1. DieBlindeGardine sagt:

      *nimmt der Musik ein Stück von ihrer Urigkeit meine ich natürlich.

  4. Svenna667 sagt:

    Dem stimme ich zu. Das erste Demo und Album waren großartig, weil neu und frisch, die Neuaufnahme vom ersten Album ebenfalls großartig. Aber spätestens ab dem Wechsel nach USundA ging es leider etwas bergab, obwohl ich mir ne Europatour mit Nine Treasures oder so gewünscht hätte.