Temtris - Ritual Warfare

Review

Donnerwetter, da denkt man, man kennt sich gut im internationalen Heavy-Metal-Underground aus und dann liegt plötzlich ein Album der Australier TEMTRIS vor einem. Eine Band, von der der Verfasser dieser Zeilen vorher zugegebenermaßen im Leben noch nichts gehört hatte und bei der er sich ernsthaft fragen muss, warum das so ist. Denn was TEMTRIS auf ihrem bereits sechsten Album „Ritual Warfare“ abliefern, bockt streckenweise gewaltig und kann durchaus mit der internationalen Konkurrenz mithalten.

TEMTRIS feuern aus allen Rohren

Eröffnet wird das Album von einem kriegerischen Drumbeat, bevor „Race to the End“ mit flottem Heavy Metal und einem an RUNNING WILD erinnernden Lead so richtig losgeht. Schon hier offenbart sich der bemerkenswerte Gesang von Genevieve Rodda als absolutes Highlight der Platte. Die stimmgewaltige Frontfrau glänzt mit ihren kraftvollen, klaren Gesangslinien besonders in den mittleren Tonlagen und verpasst dem Material von TEMTRIS so nochmal einen ordentlichen Power-Schub. Auf den rasanten Opener folgt ein spaßiger Ritt durch den Metal-Outback, bei dem sich zwar immer wieder vereinzelte Spuren europäischer und amerikanischer Vorbilder finden lassen; insgesamt bündeln TEMTRIS diese Einflüsse aber zu einem recht eigenständigen Sound, der sich in kein zu enges Korsett zwängen lässt.

Bei „One for All“, „Seven Sins of Man“ und „Erased“ schleicht sich beispielsweise eine deutliche Thrash-Kante ein und bei „Always United“ treffen klassische Heavy-Metal-Leads auf vertrackte, fast schon progressive Taktfolgen. Auch der mit einem eingängigen und recht modern tönenden Grundriff ausgestattete Titeltrack bestärkt in Verbindung mit einer zeitgemäßen Produktion den Eindruck, dass TEMTRIS gerne mal über den Tellerrand blicken und trotz insgesamt klassischer Ausrichtung im Hier und Jetzt unterwegs sind.

Kritik bleibt allerdings auch nicht ganz aus. Es gibt auf „Ritual Warfare“ ein paar starke Refrains sowie einige eingängige Riffs und Melodien, auf voller Strecke könnte das Album jedoch noch ein paar mehr Hooks und ein oder zwei deutlich herausstechende Hits vertragen. Inhaltlich gibt man sich gesellschaftskritisch und kämpferisch, wobei die Lyrics teilweise etwas plakativ geraten sind. So muss man sich bei einem Text wie dem zu „One for All“ in Zeiten, in denen ein Jon Schaffer mit einem demokratiefeindlichen Mob das amerikanische Kapitol stürmt, fragen: Wer sind diese 10.000 Leute und welche Maschine soll hier auseinandergenommen werden? Das soll beim besten Willen keine Unterstellung sein, doch solche Lyrics sind eben recht schwammig und könnten heutzutage von jedem vereinnahmt werden. Alles in allem ist die hier geäußerte Kritik aber Meckern auf hohem Niveau, denn die Band liefert mit „Ritual Warfare“ überzeugend ab.

They come from a land down under

Dass TEMTRIS also nicht schon viel bekannter sind, lässt sich sinnvoll eigentlich nur durch die geographisch abgeschiedene Lage erklären. Australien ist eher für seine Hard-Rock-Exporte von ROSE TATTOO bis AC/DC und erfolgreiche Metalcore-Größen wie PARKWAY DRIVE bekannt, von einer traditionellen australischen Metal-Szene kriegt man in unseren Breitengraden aber nur wenig mit. Das mag auch daran liegen, dass klassischer Heavy Metal vielleicht nicht granz so umsatzstark wie oben genannte Genres ist und Touren nach Übersee damit ein zu kostspieliges Unterfangen darstellen, was die Vernetzung mit der internationalen Szene etwas erschwert.

Mehr Aufmerksamkeit wäre TEMTRIS jedenfalls gegönnt und auch wenn „Ritual Warfare“ kein fehlerfreies Album ist, so lädt es definitiv dazu ein, sowohl die überraschend umfangreiche Diskographie der Band als auch die traditionelle australische Heavy-Metal-Szene etwas näher zu erkunden.

26.04.2021

"Musik hat heute keinen Tiefgang mehr." - H.P. Baxxter

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