Irgendwo im Backstagebereich wärmt sich ein komplett in Camouflage gekleideter, älterer Herr mit Pfeil und Bogen für seinen Auftritt auf, um daraufhin auf einem Büffel (der Schaum vor dem Maul lässt auf die Anwendung intensiver Beruhigungsmitteln schließen) reitend die Bühne zu entern. Das mutet seltsam an, aber nur wenn man nicht weiß, wer der Typ ist, dem der Fuchsschwanz aus der Hose hängt: Ted Nugent. Ted Nugent ist zweifelsohne eine der skurrilsten Persönlichkeiten im Rockbiz. Vor allem seine Soloalben Mitte der 70er haben ihm zum Rockstarstatus (vorwiegend in den Staaten) verholfen. Mit seinem größten Hit „Cat Scratch Fever“ hat der Mann einen Klassiker fabriziert, der in keiner 70er-Rock-Compilation fehlen dürfte. In den letzten Jahren war Ted Nugent allerdings weniger wegen seiner Musik als viel mehr durch kesse Sprüche und sein Engagement in erzkonservativen Organisationen wie der „National Rifle Association“ (diese wird in Michael Moore’s Dokumentarfilm „Bowling For Columbine“ näher beleuchtet) im Gespräch. Und auch wenn die beiden primären Schwerpunkte einer Live-DVD die Musik + die dazugehörige Liveshow sein sollten, macht Ted Nugent seine Person ebenfalls zum festen Gegenstand dieser Doppel-DVD. Eins ist jedenfalls nicht abzustreiten: Ted Nugent ist ein Showman durch und durch und lässt zu keiner Minute einen Zweifel daran aufkommen. Selbst mit 55 nutzt der Mann während seines Auftritts jede Gelegenheit wie ein Berufsirrer zu posen. Als besonderes Showelement gibt es neben dem Büffelritt noch ein Bogenschiessen auf seine Gitarre. Musikalisch geht es dagegen etwas gefasster zu. Im 2-stündigen Set wird durchgehend solider Hard-Rock mit häufigen Blues-Ausflügen dargeboten, dessen Hauptmanko Variationsarmut Freunde des Genres locker verschmerzen können. Die obligatorischen Soli gleiten ab in minutenlange Jams, bei denen Ted Nugent wie von der Tollwut angefallen seine Gitarre bearbeitet und nebenbei beweist was er gitarrentechnisch drauf hat. Damit am heimischen DVD-Player keine Langeweile aufkommt, werden zwischendurch kleine Behind-The-Scenes-Beiträge gezeigt, bei denen man die Person Ted Nugent näher kennenlernt: backstage, beim Soundcheck, bei Proben, beim Radiointerview und sogar privat. So lässt sich Ted mit seiner Band auf dem Schiessstand filmen und philosophiert während „Uncle Ted’s Barbecue Bullet Bingo Bash“ über sein Verständnis des amerikanischen Traumes. In nahezu intime Bereiche dringt der Zuschauer vor, wenn man Familie Nugent auf der Jagd zu sehen bekommt. Mama, Papa und Sohn, allesamt uniformiert gekleidet – hier trifft paramilitärischen Charme auf unfreiwillige Komik. Darüber hinaus gibt’s eine Menge an Bonusmaterial, wie eine alte Aufnahme von 1967 mit seiner ersten Band Amboy Dukes, einige Liveaufnahmen aus den späten 70ern, eine Akustiksession, ein Musikvideo zu „Crave“ und einen kurzen Making-Of-Film zu seinem aktuellen Album. Und als ob das nicht genug wäre, gibt es eine Extra-Audiospur (die man optional hinzuschalten kann), auf der Ted Nugent während des Filmes kommentiert. Allerdings sollte man diese Kommentare mit Vorsicht genießen, wie ein Zitat hier anschaulich schildern sollte: „…Keep a gun in your hand and you see evil – blow ‚em up!“. Es hängt halt (wie bei der gesamten Doppel-DVD) davon ab, inwieweit man Ted Nugent abkann. Ist dies der Fall, so wird einem wirklich viel Material in ordentlicher Bild- und Tonqualität geboten. Selten wurden so effektiv die technischen Möglichkeiten einer DVD genutzt wie auf „Full Bluntal Nugity Live“. Daher für Fans ein Muss. Allen anderen dürften sich angesichts des chronischen Patriotismus krankhaften Ausmaßes, dem Ted Nugent erlegen ist, die Zehennägel hochklappen.
Kommentare
Sag Deine Meinung!