



Punk der alten Schule kann ein durchaus herausforderndes Hörerlebnis werden, wenn man in heutigen Zeiten von quantisierten Drums, Clicktracks und der helfenden Hand von Autotune gewisse Produktionsstandards hinsichtlich einer musikalisch sauberen Darbietung gewohnt ist. Dagegen lehnen sich die 2016 ins Leben gerufenen Bremer Punker TEAM SCHEISSE seit Gründung erfolgreich auf und präsentieren einen herrlich rohen, rotznäsigen Deutschpunk der alten Garde mit satirischem Blick auf die zeitgenössische Gesellschaft, wie wir bereits zeitlebens ihres 2021er Werkes „Ich habe dir Blumen von der Tanke mitgebracht (Jetzt wird geküsst)“ feststellten. Warum sollte also das vorliegende Werk „20 Jahre Drehorgel“ viel anders machen?
TEAM SCHEISSE feiern „20 Jahre Drehorgel“
Das ist natürlich eine rhetorische Frage. Daher kommt die Band auch auf „20 Jahre Drehorgel“ wieder mit dem angestammten DIY-Charme (so weit das mit Hip Hop-Label Soulforce Records im Rücken eben geht) und ungeschliffen ratterndem Punk daher, der den Fokus mehr auf Attitüde denn auf filigranes Spiel legt. Es ist natürlich eine Sache, schlechte Songs und schlampige Spielweise mit Attitüde zu entschuldigen. Die hier gegenständlichen Bremer sind dahingehend aber deutlich glaubhafter unterwegs, einerseits weil sie direkter spielen und textlich reflektierter herüberkommen als der Deutschrock-Durchschnitt, andererseits weil sie sich mit ihrer Spielweise gerne auch mal in Richtung des Vereinigten Königreichs bewegen oder mal eine gesunde Portion Hardcore in ihren Sound einimpfen.
Wer sich jetzt fragt, ob das mit der Lyrik nicht ein Widerspruch in sich selbst ist, kann sich die präsente Textarbeit in etwa im gleichen, qualitativen Fahrwasser vorstellen wie jene der JAPANISCHE[N] KAMPFHÖRSPIELE, aber vielleicht etwas weniger fragmentarisch gedichtet. TEAM SCHEISSE picken sich durchaus zeitgemäße, wenn auch vielleicht nicht exklusiv zeitlose Themen heraus und bohren da dran herum. Das (spießige) Bürgertum, Inflation, Podcasts oder der Ikea-Kult bekommen u. a. ihr fett weg, aber eben in durchaus spielerischer Weise, mal mit Ironie und mal mit morbiderem Humor unterfüttert, aber stets abwechslungsreich und mit dem ein oder anderen, kultverdächtigen Sprachsample versehen („Altbauwohnung“).
Die Bremer verkörpern cleveren, endlos zitierbaren Deutschpunk
Und sie machen richtig Spaß dabei, sodass eine ganze Reihe unendlich zitierbarer Hooks bei rumkommt. „Alle meine Hobbies“ gehört zum Beispiel unbedingt in einem Club auf seine Live-Tauglichkeit geprüft, denn hier kann man den Pöbel das Publikum schon regelrecht mitbellen hören. „Raucherpausenvibes“ kommt herrlich nervös herüber und fühlt sich fast wie eine klassische Skate-Punk-Hymne an. Auch „Mittelfinger“ ist wie für die Bühne gemacht und fühlt sich wie für kaffeesüchtige Morgenmuffel gemacht an. Und das abschließende „Wo ich bin ist die Party (Die Party bin ich) (Ich bin die Party)“ fühlt sich zu Beginn ironischerweise wie ein Hangover-Anthem an, obwohl der Text ein Christian Steiffen’sches Statement á la „Jetzt bin ich hier – und hier ist Party“ macht. Der Song vollführt dann zum Ende hin eine geradezu dramatische Wendung in bester IDLES-Manier.
Die ratternde Old-School-Ästhetik könnte wie eingangs erwähnt eine Hürde für zeitgenössische Hörer darstellen – das ist bei TEAM SCHEISSE natürlich nicht neu. Aber es verstärkt die Attitüde hinter „20 Jahre Drehorgel“ nur umso mehr, zumal unter der Oberfläche für Abwechslung gesorgt ist. Das bewegt sich natürlich alles im Spannungsfeld dessen, was unter dem Oberbegriff „(Hardcore) Punk“ möglich ist, aber dafür sind die Tracks eben auch kurz und knackig gehalten, sodass Langeweile praktisch keine Chance hat. „20 Jahre Drehorgel“ macht einen Riesenspaß – und das mit (fast) durchgehend unpeinlicher, direkter Lyrik in deutsch, für die man sich noch nicht mal in Grund und Boden schämen muss. So kann’s die nächsten 20 Jahre gern weitergehen.
Schmetterling ist nach wie vor eins der grandiosesten deutschen Punksongs ever!
Perfektes Album um in Souterrains zu kacken. Neben der anderen Fäkalienband „Pisse“ aktuell beste deutsche linksversiffte Band.