Achtung. Das hier ist selbst für liberalste Metalheads Grenzgebiet. Wem CALLEJON oder ESKIMO CALLBOY schon zu weit gehen, der hört hier am besten gar nicht erst rein. Andererseits: wer etwas mit BODY COUNT und/oder DEEZ NUTS anfangen kann, könnte ein Ohr riskieren. Ich weiß selbst nicht genau, ob ich TAMAS nach Rap- oder Metal-Kriterien bewerten soll. Eine Mischung aus beidem, soweit möglich, ist vermutlich die beste Idee.
Kurz zu den Eckdaten: Von TAMAS hat man, falls man sich nicht schon vorher im Berliner Rap-Untergrund auskannte, wohl frühestens 2007 das erste Mal gehört, als er mit seiner damaligen Crew DEINELTAN den Song „Fick die Cops“ veröffentlichte und kurz darauf medienwirksamen Besuch von eben jenen in seiner Privatwohnung bekam. Die Crew gewann in den folgenden Jahre alle gegen sie laufenden Gerichtsprozesse und darf den Song nun sogar wieder performen. Was diese Geschichte mit Metal zu tun hat? Bis hierhin nichts. Nur dass TAMAS 2015 seine Doubletime-Parts solo über saftige Hardcore/Metalcore-Bretter spittet und shoutet. „Kopf.Stein.Pflaster“ ist musikalisch eine reine Hardcore/Groove-Metal-Scheibe, stellenweise im Stile früher MACHINE HEAD. Nur halt gepaart mit technisch versierten und aggressiven, deutschen Hochgeschwindigkeits-Raps.
Was „Kopf.Stein.Pflaster“ zu einer interessanten Angelegenheit macht, ist die Tatsache, dass keines der hier verquirlten Genres in irgendeiner Weise zurückstecken muss. TAMAS singt nicht, er growlt nicht, er rappt. Sehr druckvoll und aggressiv, aber eindeutig Rap. Das ist kein aus dem Nu Metal bekannter Hip-Hop-beeinflusster Flow, das ist Rap. Am deutlichsten tritt das im ruhigen „Drama“ zu Tage. Auf der anderen Seite beschränken sich Songs wie „KRKA“ instrumental keineswegs auf ein paar abgedämpfte und heruntergestimmte LIMP-BIZKIT-Riffs, die mehr perkussiv einen Beat imitieren als musikalische Akzente zu setzen. Im Gegenteil gibt es ausreichend Raum für Intros und die Riffs klingen zwar nicht durchgehend mitreißend oder innovativ aber durchaus solide und stellenweise besser als das, was so manche „reine“ Metalcore-Truppe zustande bringt. Zwischendurch gibt es Thrash- und Deathcore-Einschübe („Nicht mit uns“).
Neben den in der Einleitung erwähnten metallischen Referenzen könnte der Name K.I.Z. noch eine Orientierung bei der Einordnung des hier gebotenen erlauben. So mancher Part in „Eat the rich“ erinnert ein bisschen an Tarek Ebéné aka Der Nubische Prinz aka Skinhead Black. Eben jene K.I.Z. hatten ja übrigens mal eine zweiteilige CALLEJON-Kooperation: erinnert sich noch jemand an „Porn From Spain“ und „Porn From Spain 2“? Diese Songs kommen dem Material auf „Kopf.Stein.Pflaster“ doch tatsächlich relativ nahe.
Textlich pendelt TAMAS zwischen comichaft überspitzten Gewaltfantasien und abstrusen Sprachbildern und Einfällen („Jesus schießt“, „Michael Jackson“, „Drück ab“), einer Prise Gesellschaftskritik („Einigkeit und Recht und Krieg“) und einer Fingerspitze bitterbösen Humors. Das ist nicht immer gut, manchmal platt, manchmal etwas geschmacklos – im Schnitt aber immer noch ein gutes Stück über einem Großteil der Deutschrap-Kollegen. Technisch steckt er viele von ihnen eh in die Tasche.
„Kopf.Stein.Pflaster“ wird es nicht leicht haben, so vollkommen zwischen allen Lagern und Stühlen. TAMAS wird das wenig interessieren. Es ist einfach, sich von gewöhnungsbedürftigen Genre-Mixturen, polarisierenden Texten und Assi/Untergrund-Attitüde abschrecken zu lassen, und viele werden den einfachen Weg gehen. Wer aber gewisse Überschneidungen zwischen Metal und hartem Deutschrap in seinem Musikgeschmack wiederfindet, der leihe dem Herrn doch mal ein Ohr.
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