Tallah - The Generation Of Danger

Review

Soundcheck November 2022# 24

Die Nu-Metaller TALLAH gehören ohne Zweifel zu jenen Bands, die polarisieren. Gerade unter alteingesessenen Metal-Fans, die nicht zu gerne über Tellerränder hinaus schauen mögen, wird der teils sehr wilde Mix aus allen möglichen Genres nur auf Ablehnung stoßen. Das war zumindest schon auf ihrem Debüt-Album „Matriphagy“ der Fall. Denn hier haben TALLAH das Thema Progressivität schon fast auf die Spitze getrieben. Wer schon bei CODE ORANGE zusammengezuckt hat, kam hier mehr als ins Schütteln. Dennoch haben TALLAH gezeigt, dass wir hier eine äußerst talentierte Band haben, Denn wie sonst, kann so eine Achterbahnfahrt in der Art gelingen? Mit „The Generation Of Danger“ laden TALLAH nun zum zweiten Ritt auf der ‚Wilden Maus‘ ein.

Geländegewinne mit TALLAH

Wo andere Achterbahnen einen aber erstmal langsam bergauf fahren lassen, stürzen uns TALLAH mit Highspeed mitten in den Doppellooping hinein. Denn „The Hard Reset“ klingt in bester SLIPKNOT-Manier (die „Iowa“-Phase“) und zeigt gleich zu Anfang, dass TALLAH zwar nichts an Härte und Progressivität verloren haben, aber die Kompositionen auf „The Generation Of Danger“ wirken im Vergleich zum Vorgänger weniger verkopft und anstrengend. Sie lassen Riffs und Melodien nun mehr Raum, wodurch es wesentlich einfacher fällt, in diese hineinzufinden. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass TALLAH nun leichte Mainstream-Kost servieren. Im Gegenteil sind sie immer noch ein harter Brocken, der nicht jedem leicht fallen wird, ihn herunterzuschlucken (z.B. „For The Recognition“).

Das liegt vor allem daran, dass hinter dem Namen TALLAH ein ganzes Kollektiv an MusikerInnen steckt, das technisch mit vielen schmutzigen Wassern gewaschen ist. Besonders die Rhythmus-Front sei hier hervorzuheben. Allen voran steht da Max Portnoy – kein geringerer als der Spross von ex-DREAM-THEATER-Legende Mike Portnoy. Wie es sich für einen guten Sohn gehört, hat sich Max schon als Kind viel von seinem Vater abgeschaut und trommelt sich auf „The Generation Of Danger“ wahrlich die Seele aus dem Leib, und es würde nicht überraschen, wenn er sehr bald zu den ganz großen der modernen Szene stehen würde.

And Justin For All

Auf der anderen Seite ist da Frontmann Justin Bonitz, dessen Stimme wohl zu den vielseitigsten gehört, die die Nu-Metal-Welt wohl je erlebt hat (Corey, wer?). Egal ob abgrundtiefes Guttural oder klarer Chorus – Justin manövriert durch alle möglichen Gesangspassagen, als ob es das leichteste auf dieser Welt wäre. Sogar Rap-Passagen gelingen ihm in einer Manier, dass wahrscheinlich sogar professionelle Rapper neidlos Anerkennung zeigen müssten. Natürlich mag man jetzt einwenden, dass das im Studio mit technischer Nachbearbeitung ein Leichtes ist. Ein Blick auf seinen YouTube-Kanal zeigt aber, dass er dieses auch live 1:1 so hinbekommt. Und es fällt ihm ebenso leicht. Beispielhaft sei hier „Shaken (Not Stirred)“ hervorzuheben, wo Justin innerhalb von 5:20 Minuten mehr Register zieht, als Corey Taylor in seiner ganzen Karriere vermochte (unbedingt bis zum Ende anhören). Dann wiederum gibt es Momente (z.B. „How Long?“), wo Justin fast wie der junge Chester Bennington klingt, der nebenbei auch noch rappen kann.

Ebenso wie auf „Matriphagy“ zeigen TALLAH auf „The Generation Of Danger“, in welche Extreme man das Genre Nu-Metal treiben kann. Sicherlich war Nu-Metal schon immer ein Genre, das gerade Themen wie Angststörungen, Bipolarität, geistiger Verwirrung, emotionaler Unsicherheit etc. einen musikalischen Raum geboten hat. Nicht umsonst sind gerade die Frühwerke von KORN und SLIPKNOT voll mit (für damalige Verhältnisse) teils verstörenden Elementen. Doch TALLAH vermögen es, das Ganze noch einmal zu überhöhen. Songs wie „For The Recognition“, „Dicker’s Done“ oder „Of Nothing“ könnten verstörender kaum sein.

Verstörend, brutal, verwirrend – „The Generation Of Danger“ ist kein Album für die Masse

Anders als die meisten anderen Nu-Metal-Bands scheinen sich TALLAH fast schon stur mit überhaupt jemandem anfreunden zu wollen. Denn wo Nu-Metal schon immer eine Affinität zum Mainstream besessen hat, stellen sich TALLAH entschieden dagegen. Nicht ein einziger Song auf „The Generation Of Danger“ folgt auch nur einem nachvollziehbaren Schema („Wendrid“). Zumindest, wenn man sie nur oberflächlich betrachtet. Gibt man ihnen Zeit, dann gewöhnt man sich schneller als gedacht an die ungewöhnlichen und teils abrupten Strukturwechsel. Das werden aber mit Sicherheit nicht viele in der aktuellen Musikszene tun. An dieser Stelle könnte man für TALLAH wünschen, dass die oben erwähnten lichteren Momente noch weiter ausgebaut werden, ohne zu sehr an ihrem eigenen Sound zu sehr zu verändern. Auf der anderen Seite braucht die Szene auch durchgeknallte Querköpfe wie TALLAH. Vielleicht führt sie auch genau das zu einem schneller als gedacht eintretenden Erfolg. Eine höhere Note wird bewusst nicht vergeben, weil „The Dangeration Of Danger“ trotz vieler großartiger (aber verwirrender) Momente dann doch zu polarisierend und auf die Länge hin arg anstrengend werden kann.

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21.11.2022

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