T - Fragmentropy

Review

Das neue Album des Hannoveraners Thomas Thielen, auch bekannt als T, hört auf den Namen „Fragmentropy“. Obwohl der Player sieben Stücke anzeigt, besteht „Fragmentropy“ eigentlich nur aus dreien, die gewohnheitsgemäß überlang sind – „Chapter Two: The Politics Of Entropy“ nimmt eine schlappe halbe Stunde für sich in Anspruch. Doch hat T die Songs dieses Mal in kleinere Happen unterteilt, sodass das eröffnende „Chapter One: Anisotropic Dances“, welches nur knapp unter der halbstündigen Marke verweilt, in die Songs „A Sky-High Pile Of Anarchy“ und „Brand New Mornings“ unterteilt worden ist. Das zweite Kapitel besteht aus den Stücken „Uncertainity“, „Entanglement“ und „Eigenstates“ und das dritte Kapitel „Chapter Three: The Art Of Double Binding“ wurde in „The Black Of White“ und „Shades Of Silver“ unterteilt. Letzteres ist dann mit „nur“ 18 Minuten Gesamtspielzeit auch mit Abstand das kürzeste Kapitel des Albums. Angesichts des Umfanges des Albums eine begrüßenswerte Entscheidung.

Bei „Fragmentropy“ handelt es sich um eine Art Konzeptalbum. Kern der an Lyrik erinnernden Texte sind dabei die Impressionen des lyrischen Ichs, etwa während einer schwierigen Beziehung, die einen tiefen Einblick in die Psyche erhaschen lässt. Das emotionale Spektrum reicht dabei von Hoffnung bis hin zur Depression; letzteres geht sogar soweit, dass in „The Black Of White“ Andeutungen in Richtung Suizid gemacht werden – ironischerweise geht genau dieser Song im späteren Verlauf in geradezu albernen Optimismus über. Entsprechend ist der Inhalt von „Fragmentropy“ nicht gerade leicht verdaulich und ist bis zum Rand gefüllt mit Metaphern und kryptischen Versen.

Die Einflüsse aus Alternative Rock, die noch auf dem Vorgänger präsent waren, wurden in den Hintergrund gestellt. Stattdessen bewegt sich T weitläufig zwischen den Bereichen Prog und modernem Art Rock, was in seiner Opulenz und an Klassik gemahnenden Struktur an die großen Werke des Prog aus den 70ern erinnert, dabei aber immer Raum für Einflüsse von Folk und Post-Rock lässt, die geschickt eingeflochten werden. Insgesamt handelt es sich bei „Fragmentropy“ um ein vergleichsweise ruhiges Album, dennoch entlädt sich die Musik gerne mal explosionsartig, sei es durch donnernde Orchestralsamples oder durch hämmernde Piano- und Orgelparts. Die Gitarren spielen dazu fantasievolle, ornamentale Riffs, während Schlagzeug und Bass den Rhythmus pointiert unterstreichen. Und irgendwie ist es Thielen dabei gelungen, das Album weitestgehend kitschfrei zu halten.

Trotz allem sind die Trademarks des Thomas „T“ Thielen nach wie vor auszumachen. Da ist zu allererst seine markante, tiefe Stimme, welche die melancholische Grundstimmung abermals verstärkt. In den kraftvollen, mehrstimmigen Passagen kommt hingegen echtes Stadionfieber auf – Gänsehaut inklusive. Dann wären da die Arrangements von weitestgehend organischen Instrumenten, die sich in komplexen und verspielten Klangteppichen äußern. Die Elektronics wurden ein gutes Stück zurückgeschraubt und beschränken sich meist auf die Percussion aus dem Sequencer. Der Hörer wird förmlich in einen weitläufigen, musikalischen Ozean hineingeworfen. Ein Ozean, in dem man allerdings gerne versinkt, anstatt gegen den Strom anzuschwimmen. Und nicht zuletzt sind da noch die komplexen Texte, die inhaltlich durchaus in der Moderne verankert werden können. In der Vergangenheit wurde T teilweise dafür kritisiert, und zugegebenermaßen ist auch die hiesige Thematik Geschmackssache. Doch unabhängig davon, ob man denn nun Gefallen an Thielens Texten findet oder nicht, so ist es letzten Endes die Musik, die überzeugen muss. Und das tut sie auf ganzer Linie.

Der Hörer sollte schon die Ausdauer mitbringen und das Album am Stück hören. Nahezu alle Stücke gehen fließend ineinander über, sodass die Grenzen auch in dieser Hinsicht verschwimmen. Man könnte auch sagen, dass „Fragmentropy“ ein einziger Song ist, welcher der Übersichtlichkeit halber in kleinere Abschnitte unterteilt worden ist. T hat alle Register gezogen und sein Werk mit allerlei Details und Verzierungen ausgeschmückt. Da kann man sich in den Klangwelten des Herrn Thielen schon mal verlieren und auf Entdeckungsreise gehen. Aufmerksame Hörer werden innerhalb von „Fragmentropy“ immer wieder gewisse „Aha!“-Momente erleben, denn das Songwriting ist durchdacht und schlüssig. Die warme und klare Produktion zusammen mit der erneut tadellosen Spielweise – Thielen hat mal wieder alle Instrumente selbst eingespielt und sich nur bei Produktion und Coverartwork helfen lassen – tun ihr übriges und machen „Fragmentropy“ zu einer der besten Veröffentlichungen im Progressive-Sektor, die dieses Jahr das Licht der Welt erblicken durften. Als solches bedarf es aber einiger Zeit, um sich entfalten zu können und zugegebenermaßen ist das Album auch ein klein wenig anstrengend. Doch die Mühe lohnt sich allemal!

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15.09.2015

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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