Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.
Dass wir zumindest in absehbarer Zeit kein neues Album von SYSTEM OF A DOWN bekommen werden, ist echt ein Jammer. Die anhaltende Kreativpause, die Serj Tankian nach eigener Aussage aufgrund interner Differenzen der Band auferlegt hat, wird wohl so schnell nicht abreißen, auch wenn man weiterhin gelegentlich und erfolgreich zusammen tourt. Und so werden wir mit den Nebenprojekten der Bandmitglieder sowie vereinzelten Gastauftritten u. a. auf der aktuellen Platte von O.R.K. vorlieb nehmen müssen. Trostpflaster, die sich angesichts deren Qualität teilweise recht gut verschmerzen lassen – aber neuer Stoff wäre schon wünschenswert.
SYSTEM OF A DOWN platzen ins Geschehen
Überdies gibt uns das aber auch die Gelegenheit, das Werk des Vierers umso mehr zu schätzen und dankbar dafür zu sein, dass man sich lieber bedeckt hält, anstatt unter dem prestigeträchtigen SOAD-Banner nur noch mittelmäßige Stangenware zu veröffentlichen. Der Bandklassiker „Toxicity“ dürfte in den wenigsten, gut sortierten Plattenregalen fehlen. Nicht nur wird dieser von vielen als das beste Album der Band geschätzt, auch war sein Einfluss auf den modernen Metal immens. Und wenn man bedenkt, dass das gerade mal der Zweitling der US-Amerikaner mit armenischen Wurzeln gewesen ist, ist das schon eine ordentliche Leistung.
Entsprechend findet man viele Elemente, die dieses Album so gut gemacht haben, auch auf dem selbstbetitelten Geburtshelfer, mit dem SYSTEM OF A DOWN 1998 debütierten und mit dem die einst als SOIL gegründete Band mit einem gewaltigen Knall plötzlich auf der internationalen Bildfläche erschienen ist. Rick Rubin sei zufällig über einen Live-Auftritt der Band gestolpert und verhalf ihnen zu einem Plattenvertrag. Und mit ihrem Debüt sollte die Band unter anderem im Vorprogramm von SLAYER touren, wodurch sie einem breiteren Publikum zugänglich gemacht wurden.
Mehr als nur der Vorgänger für „Toxicity“
Das vielleicht offensichtlichste Element, das sich auf dem Debüt der Band wiederfindet, ist diese unbändige Energie, die hinter jedem einzelnen Song steckt. Die Elemente armenischer Volksmusik sind hier noch eher subtil verstreut und finden sich meist eher in den Gesangslinien Tankians wieder, musikalisch etwas direkter noch auf „Peephole“. Doch sticht das Album vor allem durch seine Aggressivität und Impulsivität hervor. Grundzutaten sind irgendwo im modernen Metal verankert, wobei die Einordnung tatsächlich nicht so leicht ist. Die Rohheit, mit der hier agiert wird, verleiht dem Sound in jedem Falle eine kräftige Hardcore-Schlagseite.
Doch diese Grobkantigkeit übernimmt nie die Überhand über Musikalität, weshalb das eröffnende „Suite-Pee“ gleich mal mit der markanten, unglaublich präzisen und filigranen Riffakrobatik von Daron Malakian eröffnet wird, ehe der Song losdonnert. Ein besseres Ausrufezeichen kann ein Debüt kaum setzen. Dazu stellt der Track noch weitere Trademarks der Band vor wie die massivst polit- bzw. sozialkritisch geladenen Texte, die zielsicher ihren Weg in die Magengrube des Biedermanns finden und diese aufwühlen – wenn man denn den ebenfalls zum Trademark gewordenen, zum Teil irrsinnig schnell dargebotenen Gesang von Tankian (und Malakian) ohne Textblatt folgen kann.
Keine Band für schwache Mägen
Die lyrische Ausrichtung spiegelt sich auch in der Wahl des Covers wider, das einem Wahlplakat der KPD von 1928 entliehen ist. Die Message dürfte damit klar sein: SYSTEM OF A DOWN reißen den schönen Schleier von den hässlichen Fratzen von zeitgenössischer Politik und Gesellschaft herunter und präsentieren diese dem Publikum ungeschönt, ach was: Die Gesellschaftskritik wird dem Hörer förmlich mit der Brechstange verabreicht, was in diesem Falle positiv gemeint ist. Denn dank des aus jeder Pore der Platte triefenden Zorns kauft man dem Vierer jedes einzelne Wort des Unmutes ab.
Auch musikalisch ist das Debüt von SYSTEM OF A DOWN hervorragend gealtert, was man wirklich nicht von sonderlich vielen Modern-Metal-Alben aus dieser Zeit behaupten kann. Die Produktion trägt dick auf und transportiert so die Rohheit des Inhaltes hervorragend. Unterdessen knüppelt sich die Band durch abwechslungsreiche Songs, die teilweise vor Energie förmlich bersten, wenn sie nicht gerade wie in „Spider“ mahnend vor sich hin brodeln, um dann in einer der hymnischeren, elegischeren Hooks der Platte zu explodieren.
Erfrischende Abwechslung und reine Energie
In „Sugar“ jagen die US-Amerikaner den Hörer bandtypisch durch einen hypernervösen Song, der mit geradezu spöttischer Eleganz zwischen grobgelenkigen, nackenbrechenden Hardcore-Ausbrüchen und punkigen Swing-Versatzstücken hin- und hertänzelt, während Tankian und Malakian im gesanglichen Tandem mit ihrer Over-The-Top-Darbietung ein wahres Feuerwerk abbrennen. „Ddevil“ erscheint auf den ersten Blick als vergleichsweise geradliniger Stampfer, doch die herrlich hysterische Darbietung von Tankian steuert den Song wieder in Richtung des geliebten SOAD-Wahnsinns zurück.
„Mind“ ist mit seinen über sechs Minuten der längste Track der Platte und damit auch der vielschichtigste. Der Song atmet ein erdrückendes Gefühl von Paranoia, das ein bisschen an die klaustrophobischeren Momente von SUCH A SURGE erinnert. SYSTEM OF A DOWN lassen jedoch einen regelrechten Sludge-Klumpen durch den Song walzen, dem man die Trägheit der Masse anfühlt. Zumeist heavy stampfend gewinnt der Track immer wieder an Geschwindigkeit, als ob eine Moräne einen Berg herunterkrachen würde. „CUBErt“ kommt dagegen wesentlich kürzer um die Ecke und verbindet schwer drückende Gitarren mit erstaunlich leichtfüßiger, triolischer Rhythmik.
„System Of A Down“ – Ein Klassiker vor dem Klassiker
Der Rausschmeißer „P.L.U.C.K.“ schließlich thematisiert den Genozid an den Armeniern und bringt die Platte noch einmal mit einem schwer verdaulichen Brocken zu Ende, der mit einem vergleichsweise leicht verdaulichen Song verabreicht wird. Zu Beginn tänzelt Shavo Odadjians Bass um Malakians Gitarre herum und deutet dank düsterer Melodie etwas Unheilvolles an. Der Song entlädt sich dann in gewaltiger und gewaltbereiter Manier, nur um dann in einen erstaunlich tanzbaren Rocker überführt zu werden. Sprich: Die Kunst, die bittere Pille wohlschmeckend zu verabreichen.
Und das ist der Sound von SYSTEM OF A DOWN im wesentlichen: Auf dem ersten Hör wohlschmeckende Kost, auf dem zweiten Hör jedoch bittere Kritik am Status Quo, an Politik und an Gesellschaft mit Verweisen auf Orwell und obligatorischer Anfeindung gegen Faschismus. So, wie es in den Liner Notes zu „War?“ geschrieben steht:
„We first fought the heathens in the name of religion, then Communism, and now in the name of drugs and terrorism. Our excuses for global domination always change.„
Das Debüt von SYSTEM OF A DOWN ist also ein wahrer Klassiker, auf den die Band drei Jahre später tatsächlich noch einmal einen drauf setzte. Mit immer noch hervorragender Hörbarkeit und nach wie vor brisanter, vor allem: brennend relevanter Thematik und einem unschlagbaren Charisma hinter jeder einzelnen Darbietung von den Instrumenten hin zum Gesang hat sich die Platte ihren Platz im Pantheon des Modern Metal aber auch mehr als verdient.
>SYSTEM OF A DOWN reißen den schönen Schleier von den hässlichen Fratzen von zeitgenössischer Politik und Gesellschaft herunter<
Ach? Tell me more.. 😀
Fight, fight, fight
Fighting the world every single day
Fighting the world for the right to play
Heavy metal in my brain
I’m fighting for metal ‚cause it’s here to stay
Fighting, fighting, fighting the world
I’ve been fighting the world
Fighting, fighting, fighting the world
I’ve been fighting
I hear the sound in a metal way
I feel the power rolling on the stage
‚Cause only one thing really sets me free
Heavy metal, loud as it can be
Als 87 Geborener war das Album für mich die Offenbarung und der Grundstein meines Metalhörens. Ich kann nur 10 Punkte vergeben, weil es für mich persönlich wohl bis heute die wichtigste Veröffentlichung ist.