Symphony X - Iconoclast

Review

Lange haben Fans der amerikanischen Symphonic-Progger auf dieses Album warten müssen. Fast ein Jahr nach dem ursprünglich angekündigten Veröffentlichungsdatum erscheint endlich der „Paradise Lost“-Nachfolger. Doch hat der zugrundeliegende Perfektionismus bei der Studioarbeit sich für SYMPHONY X wirklich gelohnt? Erste Kostproben des neuen Songmaterials wurden den Fans bereits bei der vergangenen Tour mit Nevermore präsentiert. Und im Gegensatz zu den billigen Handy-Kamera-Mitschnitten eifriger Amateur-Kameraleute auf Youtube (im Ernst, Leute, macht es nicht wesentlich mehr Spaß, ein Konzert durch die eigenen Augen zu sehen als durch ein „hochauflösendes“ Handy-Display?) schienen die Stücke selbst den hohen Qualitätsstandard der Band halten zu können. Nun also haben wir endlich die Gelegenheit, dies anhand des fertigen „Iconoclast“-Albums genauer zu überprüfen.

Obwohl Gitarrist und Bandchef Michael Romeo die bei einer leichten Variation der Tracklist drei zusätzliche Stücke umfassende Doppel-CD-Fassung als „definitiv“ bezeichnet hat, umfasst das Promo-Paket lediglich die neun Stücke der Einzel-CD-Ausgabe. Diese haben es jedoch in sich. Den epischen 11-Minuten-Titelsong haben SYMPHONY X direkt an den Anfang gepackt. Offensichtlich will die Band von vorne herein klarmachen, dass sie nichts verlernt hat und die Tugenden vergangener Meilensteine wie „The Divine Wings Of Tragedy“ noch immer beherzigt. Die Düsternis von „Paradise Lost“ ist auf „Iconoclast“ noch immer erkennbar, statt melancholischer Schicksalsergebenheit nehmen die Musiker ihre Zügel jetzt aber wieder deutlich fester in die eigenen Hände und verleihen der neuen Scheibe dadurch einen „aktiveren“ Charakter.

Einen eigenständigen Stil haben SYMPHONY X schon lange gefunden. Insofern erlebt der geneigte Fan auch auf „Iconoclast“ keine unangenehmen Überraschungen. Die komplexen Songstrukturen, klassisch angehauchten Riffs und Melodieführungen, sowie die unglaublich tiefgängige und emotional berührende Stimme des charismatischen Frontmannes Russell Allen muss man also auch anno 2011 nicht missen und setzen nach wie vor Standards im gesamten Prog- und Power-Metal-Bereich. Einzelne Songs als Highlights herauszupicken ist sinnlos, erzeugt das Album doch erst als Gesamtes den atemberaubenden Spannungsbogen, der die Aufmerksamkeit des Zuhörers von Anfang bis Ende fesselt. Das ist auch bitter nötig, denn leichte Kost hatten die Amerikaner noch nie im Angebot und nur wer fest am Ball bleibt entdeckt auch beim zehnten Hördurchgang noch überraschende Details im Bandsound.

Und doch habe ich so etwas wie Lieblingslieder auf „Iconoclast“ gefunden. Da wäre zum einen das derbe Thrash-Attacken perfekt mit melodischen Momenten vereinende „The End Of Innocence“ und der sich daran anschließende Mid-Tempo-Groover „Dehumanized“. Zum anderen ist da aber die mit einer epischen Refrain-Melodie glänzende Hymne „Children Of A Faceless God“. Das soll die übrigen Stücke aber in keinster Weise abwerten. Durchhänger erlaubt sich „Iconoclast“ über die gesamte Spielzeit hinweg nicht. Und spätestens als mit dem als ruhige Halbballade beginnenden und sich über ausladende Orchester- und Solo-Parts zu einem bombastisch-fulminanten Finale steigernden „When All Is Lost“ schließlich auch der zehnte Hördurchlauf endet, ohne dass das Album auch nur die geringsten Abnutzungserscheinungen zeigt, wird klar, dass SYMPHONY X ihrer an Highlights wahrlich nicht armen Discografie mit „Iconoclast“ einen weiteren Meilenstein hinzugefügt haben.

02.06.2011
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