Sunn O))) - Oracle

Review

Mit EARTH erschuf Dylan Carson ein neues Genre. „Extra-Capsular Extraction“ markierte einen neuen Weg durch eine Wildnis der Möglichkeiten, die einem durch Effektgeräte verzerrte Gitarren offenbart werden. Damit nicht genug, „Earth 2“ machte deutlich, dass es Carlson mehr als ernst meinte. Indem er seine Musik auf Gitarren und Bass reduzierte, auf ein unerlässliches Minimum, für ein rhythmisierendes Schlagzeug war kein Platz und musste seinen Visionen weichen, stellte er die Weichen für den Drone-Zweig. Aus dröhnenden Tönen wurde tönendes Dröhnen. Greg Andersons, Gitarrist der Stoner GOATSNAKE, und Stephen O’Malleys (ex-BURNING WITCH, ex-KHANATE) Begeisterung für EARTHs frühe Meisterwerke war ausschlaggebend für die Gründung SUNN O)))s, einer der außergewöhnlichsten, infolgedessen gewöhnungsbedürftigsten Bands unserer Zeit.

Beängstigend konsequent trieben sie ihr Spiel fort und auf die Spitze (oder in die Tiefe?). Es wurden in der Vergangenheit nur kleinere Experimente gewagt und doch veränderte sich der Stil von Album zu Album nachhaltig. „Flight Of The Behemoth“ und das geniale „White 1“ sind Höhepunkte ihrer zahlreichen Schaffensphasen, musikalische Entwicklungen zeigen sich auf den ersten Blick nur erschwert erkenntlich. Und doch lockern sie ihre selbst angelegten Daumenschrauben, beziehen weitere Einflüsse in ihren Sound mit ein, sodass von Stillstand nicht die Rede sein kann. Versteckte Progressivität könnte man es nennen. Da war es dann doch enttäuschend, dass die Band mit „Black 1“ wieder dem Ruf ihrer Drone-Ursprünge erlegen ist. Doch sollte „Báthory Erzsébet“, der krönende Abschluss dieses Trips, eine Art Prophezeiung sein und bereits Zukünftiges vorwegnehmen. „Oracle“ schlägt mit seinem schwarzmetallischen Ambiente in eine ähnliche Kerbe wie jener Song; das Album hat jene Black-Metal-Ausrichtung, wie sie Anderson und O’Malley seit längerem mit ihrem Label Southern Lord verfolgen.

Vieles wird schlicht von den Rückkopplungen geschluckt, von der zelebrierten Low-Fi-Kakophonie, die einzige treibende Kraft entspringt den Akkordwechseln der tief herunter gestimmten Gitarren. Öde und dunkel, aber betörend und anziehend. SUNN O))) stoßen von tiefen Frequenzen verzerrte Schallwellen aus, welche sämtliche vorausgegangen Versuche anderer Bands, in diesem Sektor zu punkten, bei weitem übertreffen. Die kontrollierten Feedback-Orgien türmen sich zu zentnerschweren Monolithen auf, dominant und alles tilgend, und sorgen einmal mehr für ein nie zuvor dagewesenes Hörerlebnis. Die zermalmenden Akkordfolgen entfalten sich derart langsam, dass einem Minuten wie Stunden vorkommen und ziehen unbändig langsam, dafür aber sicher, die Aufmerksamkeit des Hörers auf sich, sowie auch alles andere was sich ihnen in den Weg stellt.

„Belülrol Pusztít“ verbreitet ausreichend atmosphärische Elektrizität, um als Partitur für einen Kubrick- oder Lynch-Film durchzugehen, während dem zweiten und zugleich besseren Song „Orakulum“ eine Andersartigkeit beiwohnt, die schon einer wie Hieronymus Bosch mit seinen Werken versucht hat einzufangen. Mit „Belülrol Pusztít“ und „Orakulum“ ziehen flirrende Winde andächtig vorbei, fast schon leichtfüßig, werden von schreienden Rückkopplungen abrupt gestört und durchbrochen. Mit MAYHEMs Attila Csihar hat man einen eindrücklichen Sänger an seiner Seite, der einen mit seinem winselnden Gezeter, einer okkulten Beschwörung gleich, auf der Reise durch nächtliche Landschafen begleitet. Durch mystische Landschaften, die vor ihnen nur von den MELVINS oder eben EARTH durchschritten worden sind. Um die Tiefgründigkeit dieser Soundlandschaften ergründen zu können, genügt es nicht, die Peripherie von „Oracle“ zu streifen. Es wird eine Weile brauchen, bis man den Zugang zu diesen Welten gefunden hat, um dann in die Musik eintauchen und sich in ihr verlieren zu können. Wunderschön!

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25.09.2007

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