Man muss sich schon in einen entrückten Geisteszustand versetzen, um das, was SUNN O))) da über die Membranen bringen, nicht vorschnell als langatmiges Geknarze abzutun. Ersteres wird erreicht, indem man sich das neue Werk „Kannon“ der amerikanischen Drone-Institution ungefähr ein halbes Dutzend Mal zu Gemüte führt. Den Albumtitel und in abstrahierter Darstellung das Covermotiv spendiert ein sogenanntes Erleuchtungswesen des Buddhismus‘: Kannons ursprünglicher Name schreibt ihr die Eigenschaft, die Töne der Welt wahrzunehmen zu.
Und wahrzunehmen gibt es auf diesem Album einiges: Rückkopplungen, gregorianisch anmutende Gesänge und das – laut Albuminfo – dynamische und intensive Gitarren- und Basswechselspiel der Begründer Stephen O’Malley und Greg Anderson. Einen stimmlichen Beitrag liefert nach erfolgreicher Zusammenarbeit auf der Vorgängerplatte „Monoliths & Dimensions“ Attila Csihar, der vor allem durch sein Wirken bei MAYHEM bekannt ist.
Der erste Track „Kannon 1“ ist von einem Gitarren-Feedbackduett und Csihars persistentem Gegrummel geprägt. Der zweite Teil wird durch die wechselnden Choralgesang- und Gitarrenbeiträge bereits greifbarer. Abschließend birgt „Kannon 3“ sogar das Potential, die genrefremde Hörerschaft zumindest zu interessieren: Der vormals monotone Gesang wird um wenige Töne erweitert und wirkt mit der instrumentalen Begleitung beinahe eingängig, bevor der merkwürdige Zauber dann etwas ungalant abbricht.
Mit hoher Wahrscheinlichkeit erschließt sich das SUNN O)))’sche Konzept vor allem in den Live-Performances der Band, wenn dröhnende Schallwellen widerstandslos auf menschliches Gewebe treffen. Daher dürfte „Kannon“ in erster Linie für jene interessant sein, die die Band bereits in den Bann gezogen hat. Aber auch Freunden der Entschleunigung und des überschaubaren Tonumfangs sei die Platte empfohlen.
Wertung kann ich leider nicht nachvollziehen, meiner Meinung eines der stärksten Alben der Gruppe, vielseitig und das Wechselspiel zwischen angetäuschter Eingänglichkeit und der darauffolgenden klaustrophobischen Vernichtung ist ein Naturschauspiel, welches in dieser Extremität von keiner anderen Band weder mit Effekt noch Geschwindigkeit erreicht wird.
Dieses Album stört jede Hörgewohnheit, aber nicht wie ein Splitter im Fuß, eher wie ein größerer Parasit.
Großartig
10/10