Seit jeher wurden Grenzen überschritten, Extreme ausgelotet und Vorgaben bewusst umgangen. Derartige, nennen wir es Entwicklungen, sind vor allem im Hinblick auf die Musikgeschichte zu beobachten. Dass dabei Geschmäcker, und gar auch Nerven auf den Prüfstand geraten sind und sich der ein oder andere in Anbetracht der Entfaltung angewidert abgewendet hat, ist dabei zu vernachlässigen. Nur auf diese Weise konnten sich neue Nischen und Szenen auftun.
Die amerikanischen SUNN O))) gelten als Vorreiter des Drone, einer abstrakten Form des Doom, einer aus zähen Feedback- und Klangcollagen bestehenden Variation, fernab von Melodien und Rhythmen oder sonstigen formalen Mustern. Mit ihren bereits zahlreichen Veröffentlichungen hievten sie, das was vordergründig als Musik galt, auf ein neues Level. Einhelliges Verständnis war genauso wenig zu erwarten, wie etwa lukrative Chart-Platzierungen oder reißende Absätze, doch verzeichnet die Band mittlerweile eine feste Anhängerschaft. Den in Japan beheimateten BORIS wird eine ähnlich polarisierende Wirkung zuteil: Zunächst galt man als dreiste MELVINS-Kopie, natürlich haben sich BORIS auch nach einem Song eben jener benannt, welchem kaum nennenswerte Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Doch schon bald schenkten uns BORIS experimentelle, bombastische, stark rifforientierte Perlen, wie „Absolutego“ und „Akuma No Uta“, die eine ähnliche Schar zu bedienen wussten, wie die der Drone-Pioniere SUNN O))). Nicht nur gehören beide Bands dem renommierten und hoch angesehenen Southern Lord-Label an, sondern prägten den unverkennbaren Drone-Sound.
Eine Kollaboration der beiden Bands drängte sich förmlich auf und wurde von langer Hand geplant. Nun endlich liegt uns mit „Altar“ das Ergebnis vor, welches jegliche Erwartungen meilenweit hinter sich lässt. BORIS und SUNN O))) liefern uns den Soundtrack des Jahres, das skurrilste Hörerlebnis des neuen Jahrtausends schlechthin, die tiefsten und breitesten Gitarrenwände und phänomenalsten Arrangements; Melodien oder sonstige konventionelle, massentaugliche Instrumentierungen mussten weichen. Bereits der Opener „Etna“ vermag alle Facetten in knapp zehn Minuten zu vereinen: Kontinuierlich wiederholte Riffs und eine stetig wechselnde Laut/Leise-Thematik lassen eine in nicht zu Worte fassende Faszination entstehen, die im Entferntesten an SIGUR ROS oder GODSPEED YOU! BLACK EMPEROR erinnert. Ergänzende Klänge orientalischer Instrumente, sowie Hörnern und einer Stimme, die derer von BJÖRK nicht unähnlich ist, hinterlassen schon beim ersten Hördurchlauf einen bleibenden Eindruck. Man sollte sich die Zeit nehmen, um sich zumindest einmal voll auf die Musik konzentrieren zu können.
Es ist durchaus nachvollziehbar, dass einige nur erschwert Zugang zu dieser Art von Musik finden, doch sollte der tolerante Musikliebhaber über den zuhauf zitierten Tellerrand hinaus schauen und „Altar“ zumindest die Gelegenheit geben. Denjenigen, die mit dem Schaffen von SUNN O))) und BORIS vertraut sind, ist „Altar“ ohne Einschränkung zu empfehlen. Im Kollektiv war man selten derartig stark.
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