Suffering Hour - The Cyclic Reckoning

Review

In Passing Ascension“ hat Herrn Möller 2017 viel Spaß gemacht. Zurecht! Denn SUFFERING HOUR, obwohl nach Debüt der Ami-Prog-Thrasher ANACRUSIS benannt, spielen verkopften Avantgarde Black/Death und sind, wie ganz richtig im Review angemerkt, sicherlich nichts für jedermann. Aber für Leute mit Spaß an obskurer, morbide-faszinierender metallischer Musik war das Debüt der Amerikaner doch ein Geheimtipp. „The Cyclic Reckoning“ stellt die Uhren vier Jahre später sogar noch einmal mehr zurück: Noch weniger Eingängigkeit, noch verwaschenere Produktion, noch mehr Hall, noch mehr Irrungen und Wirrungen, also eigentlich versucht man alles Menschenmögliche, um möglichst NICHT zu gefallen.

„The Cyclic Reckoning“ tut alles, um eigentlich nicht zu gefallen

Warum gefällt „The Cyclic Reckoning“ dann sogar noch ein wenig mehr als der Vorgänger? Da sind zum einen diese absolut fantastischen, doch irgendwo eingängigen, wenn auch schrägen Riffs wie gleich schon im Opener „Strongholds Of Awakening“ ab der eröffnenden Sekunde, die eine geradezu euphorische Stimmung vermitteln, während Sekunden später dann alles wieder von wahren Riffwänden und Dunkelheit begraben wird. An diesen Wänden kann allerdings nicht hoch geklettert werden, um dem Horror, dem schwarzen Sog der Atmosphäre, den SUFFERING HOUR hier heraufbeschwören, sich zu entziehen.

Trotz langer Laufzeiten sind die Songs dabei wahnsinnig abwechslungsreich und tragen durch verschiedene Stimmungen. Auch bei etwas doomigeren oder melodischeren Passagen geht die Reise musikalisch nicht in lichtere Gefilde, sondern bleibt in allen Schattierungen des Dunkels („Transcending Antecedent Visions“ zeigt das bereits zu Anfang wunderbar). Generell ist der Sound eine besondere Erwähnung wert: Die Gitarren haben einen ganz speziellen, gedämmten Klang, wie durch einen Filter hindurch gespielt oder aufgenommen. Das Schlagzeug ist relativ natürlich produziert, aber doch deutlich hörbar, es gibt ein wenig Hall und „Weite“, aber trotzdem hört es sich an, als stünde der Hörer mitten im Proberaum dazwischen. Der Sound ist schwer in Worten zu beschreiben, sicherlich nicht jedem schmeckend, aber herrlich erfrischend im ewigen Gleich der Soundästhetik, die sonst in diesem Genre herrscht und somit eines von mehreren Alleinstellungsmerkmalen, welches SUFFERING HOUR hier zeigen.

SUFFERING HOUR sind trotzdem eigen und hochwertig unterwegs

Das zweite Alleinstellungsmerkmal zeigt sich in den oft sehr mäandernden, aber immer interessant und unterhaltend bleibenden Riffs, die an Truppen wie IMPERIAL TRIUMPHANT, aber auch DEATHSPELL OMEGA erinnern. Man stößt nicht in absolute Mindfuck-Regionen wie bei GORGUTS oder AD NAUSEAM hervor, aber ist definitiv progressiver unterwegs als die gemeine okkulte Death/Black-Truppe. „The Cyclic Reckoning“ ist absolut ein Riff-Album, dem alles andere untergeordnet wird, und somit eher ungewöhnlich für höhlenartigen Death/Black-Metal, wo meist die Atmosphäre im Vordergrund steht. SUFFERING HOUR verbinden beides wunderbar miteinander und ziehen somit den Zahn, das würde beides nicht zusammen funktionieren. Manche Bands setzen auf Gimmicks wie etwa verwaschene Produktionen oder zusätzliche Keyboards, Chöre, was auch immer, um etwas „basischer“ scheinende Riffs zu kaschieren, nichts dergleichen hat man hier, alles offenbart sich dem Hörer und nichts bleibt versteckt, trotzdem lauert immer etwas ausserhalb der musikalischen Sphären, was sich der näheren Beschreibung und Wahrnehmung entzieht.

Von Weirdos für Weirdos

Auf der einen Seite läutet „The Cyclic Reckoning“ also herrlich basisch, aber mit den wenigen Mitteln, die SUFFERING HOUR in der normalen Instrumentenbesetzung zur Verfügung haben, holen sie Großes raus. Mehr an Atmosphäre zumindest, als manch andere Kapelle mit Synthies, dumpfer Produktion, Mönchsgesängen, Cthulhu-Balzrufen oder sonstigen Sperenzchen heraus holen. Dabei sind wie schon erwähnt SUFFERING HOUR nicht immer gänzlich Trübsal blasend unterwegs, sondern klemmen sich auch das ein oder andere hoffnungsvoll oder gar heroisch aufspielende Riff dazwischen.

Auch kleine Details wie individuelle Bass-Linien oder ein wenig Ghost-Notes auf der Snare setzen simple, aber effektive kleine  „Anker“ in die Songs, die sonst in Death Metal eher mit der Lupe zu suchen sind. Parts wie kurz vor Schluss von „The Abrasive Black Dusk“ sind durchaus als groovig zu bezeichnen, schlagen darauf in Raserei, dann Melodisches und zum Schluss in verquere INQUISITION-Riffs um. Der Sound, aber auch die Atmosphäre, die SUFFERING HOUR mit diesen einfachen, aber effektiven Mitteln auf „The Cyclic Reckoning“ beschwören, ist sehr speziell und sicherlich Liebhabern dieser sehr speziellen Richtung Metal im Allgemeinen vorenthalten.

Für mehr Wagnis und „Gefahr“ in der Musik

In der ARCHSPIRE-Review zu „Bleed The Future“ stand noch, dass die Band die „Gefahr“ in der Musik wieder zurück bringt. Mag für den Tech-Death-Bereich vielleicht auch sogar stimmen. In Zeiten, wo allerdings die x-te OSDM-Kombo oder der nächste isländische Schwarzmetall-Klon gleich als besonders böse oder originell  angepriesen wird, bringen Bands wie SUFFERING HOUR tatsächlich Neuerung, sind anders, faszinierend, morbide, ja „gefährlich“ in musikalischer Hinsicht gegenüber einer in ihren Codizes immer gleicher werdenden Szene, die sich auf den „kultigen“ Traditionen ausruht. Wir brauchen wieder mehr Bands wie SUFFERING HOUR. Mit eigener (Sound-)Ästhetik, aber immer noch verstörend, böse, lebensverneinend und unter Bewahrung der Tugenden im Death/Black Metal. Wer auch nur im entferntesten etwas mit Bands wie CONVULSING, SVARTIDAUDI oder ähnlichem Zeug anfangen kann, sollte SUFFERING HOUR unbedingt eine Chance geben.

27.11.2021
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