Subway To Sally - Herzblut

Review

Wie viele andere auch stand ich pünktlich am 2.4. mit „Herzblut“ unterm Arm an der Hörtheke – doch im Gegensatz zu manch anderem an diesem Nachmittag war ich auch nach der Hörprobe nicht vom Kaufvorhaben abzubringen. Die Richtung, in die sich die Band in den 2 Jahren nach ihrem letzten Studioalbum bewegt hat, mag nicht mehr jedermanns Sache sein: Die Musik hat durchweg merklich an ungestümer Gitarrenwucht verloren, der Rhythmus ist im allgemeinen auffällig straighter als noch auf „Hochzeit“, regelrechte Tanzpartien („Veitstanz“, „Krötenliebe“) sind auf „Herzblut“ zu finden, frenetische Brecher wie einst „Mephisto“ oder „Sabbat“ sucht man 2001 vergebens. Überhaupt scheint die ganze Band eine Metamorphose durchlebt zu haben: Man hüllt sich in weiß, mit Anzug und Zigarre, jedoch niemals den medievalen Angelpunkt der Band aus dem Blickfeld verlierend. Ganz ähnlich sieht es musikalisch aus: Der Sound ist moderner, die Roheit, vor allem die der Gitarren, weicht zusehends einer präzisen, rundherum runden Pop-Produktion, die Ecken und Kanten wurden fast gänzlich geschliffen. Den roten Faden, der auch diese Scheibe an sämtliche Vorgänger-Outputs der Band bindet, bilden die fantastischen Gesangslinien, überhaupt die Gesamtheit aller Harmonien. Gerade in balladesken Werken wie „Kleid aus Rosen“ oder „Wenn Engel hassen“ kommt diese unbestrittene Stärke der Berliner einmal mehr zur vollen Geltung, doch auch „Krötenliebe“ ist erst nach mehrtägiger Rotation fehlerfrei mitzusingen. Auch die Lyrics von Bodenski sind wieder von genialer Bilderkraft, romantisch bis in die Fingerspitzen, man bleibt der einst eingeschlagenen Linie der Ernsthaftigkeit weiterhin treu. Was ich persönlich auf „Herzblut“ jedoch am schmerzlichsten misse, ist jene rhythmische Experimentierfreude, welche „Mephisto“, „Der Sturm“ oder „Tag der Rache“ einst zu Meisterwerken machte. Das neue Werk läßt somit einige Lücken, die meiner Meinung nach nicht hätten sein müssen. Demjenigen, der Subway To Sally bislang vor allem der Saiten-Gewalt und der verstrickten Takt- und Tempi-Wechsel wegen zu schätzen wußte, sei hier die Empfehlung gegeben, vor dem blinden Kauf erst einmal den persönlichen Geschmack auf seine Sensibilität gegenüber musikalischer Strukturwandel abzufragen. Ansonsten ist diese Neuheit durchaus empfehlenswert, zumal die CD keinesfalls einen offenen Bruch mit Vergangenem, sondern allein eine neue Kursnahme beschreibt.

11.04.2001
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