Stormlord - Hesperia

Review

Die Irrfahrt von STORMLORD dauert jetzt schon doppelt so lange wie die von Odysseus bzw. dessen römischem Äquivalent Aeneas. Seit über zwanzig Jahren sind die Italiener im Geschäft, haben die Labels und die Mitglieder gewechselt wie die Cäsaren ihre Günstlinge und sind jetzt, nach fünf Jahren Pause, mit dem fünften Album „Hesperia“ beim deutschen Label Trollzorn angekommen. Von der Urbesetzung, die weiland beim deutschen Kultlabel Last Episode angefangen hat, ist heute nur noch Obersturmkaiser und Sänger Cristiano Borchi übrig, der seine Band ruhelos, aber stoisch und behutsam weitergeführt hat. Zwar ist STORMLORD der große Durchbruch trotzdem nie vergönnt gewesen, aber den Status der Truppe sollte man deshalb nicht unterschätzen.

„Hesperia“ übrigens auch nicht. Das Album, das konzeptionell Vergils Versepos „Aeneis“ folgt (welches erzählt, wie der Held Aeneas nach dem trojanischen Krieg aus dem brennenden Troja flieht und nach einer mehrjährigen Reise nach Latium kommt, wo er zum Stammvater der Römer wird), hat sich von allzu festen Genregrenzen frei gemacht und ist ein erstaunlich reifes, vielfältiges Werk. Grob ist die Beschreibung „Symphonic Extreme Metal“ schon passend. Die sich dieser Tage aufdrängende Parallele zu FLESHGOD APOCALYPSE verbietet sich allerdings, denn außer den Zutaten und dem Herkunftsland verbindet beide Bands wenig.

STORMLORD zeigen schon mit dem Opener „Aeneas“, dass ihnen historische Akkuratesse und Gefühl wichtiger sind als Effekthascherei und bis zum Bersten aufgedonnerte Songmonster. Spannend: Die Lyrics von „Aeneas“ sind naturbelassen in Latein gesungen (wer’s genau wissen will: im klassischen Hexameter), auch wenn man davon leider nicht viel hört. Der Song setzt ansonsten, wie überhaupt ein großer Teil des Albums, auf epische Melodien, auf bangfreundliches Midtempo und eine behutsame Mixtur aus Metal- und Synthetikelelementen. Orchesterelemente, orientalisch anmutende Arrangements, Percussions, Chöre und Ambiente-Samples gehen hier Hand in Hand mit den harten Elementen des Sounds, die irgendwo zwischen moderatem Black Metal, tiefem Death-Metal-Riffing, djentigen Anflügen („Motherland“, „Bearer Of Hate“) und fast balladesken, aber kitschfreien Gothicanleihen im wirklich tollen Titelsong pendeln. Nur der latente Power-Metal-Einschlag ist meinem Empfinden nach so gut wie verschwunden, dafür ist der folkige Anteil etwas höher.

Im Wesentlichen haben STORMLORD damit ihre eigene Nische weiter ausgebaut und kultiviert. Die mag nicht spektakulär neu sein, funktioniert aber, weil sie nach all den Jahren einfach authentisch wirkt und man der Band ihren römischen Nationalstolz, den „Hesperia“ verkörpert, auch abnimmt. Da kann man auch verzeihen, dass das Album nicht bis zur letzten Minute durchgehend überzeugt. Dafür ist alles drumherum, vor allem die fantastische Produktion, absolut gelungen. Von Irrfahrt kann also absolut keine Rede mehr sein.

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15.09.2013

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