Als die STONE TEMPLE PILOTS 2003 im Streit auseinandergingen, und im Jahr darauf das Best-Of-Album „Thank You“ in die Läden kam, schien es das mit der großen amerikanischen Rockband gewesen zu sein. Die DeLeo-Brüder hoben mit Richard Patrick (FILTER) ARMY OF ANYONE aus der Taufe, und Scott Weiland wechselte zu den Superstar-Rockern VELVET REVOLVER.
Doch die Trennung währte nicht ewig. 2008 vereinigte sich die Band ging in den USA auf eine längere Tour. Schon damals gab es Gespräche über ein neues Album, doch das sollte noch ein wenig auf sich warten lassen. Scott Weiland machte erst einmal Promoarbeit für sein zweites Soloalbum und Atlantic Records setzten zur juristischen Blutgrätsche an, um die Band auf Erfüllung ihres alten Vertrages zu verklagen. Um die Vorgeschichte hier abzukürzen: Die Klage wurde fallengelassen, und die STONE TEMPLE PILOTS fanden tatsächlich wieder zusammen, das Ergebnis steht seit wenigen Tagen in den Läden.
Schon mit dem eher unüblichen „Between The Lines“ wird deutlich, was auch das Cover und der eponymische Albumtitel ausdrücken: Die Band scheint sich so glücklich und befreit wie nie zuvor zu fühlen, entsprechend leichtherzig und fröhlich kommt der erste Song auch rüber. Für langjährige Fans schon etwas „versöhnlichere“ Töne schlägt dann das folgende „Take A Load Off“ an. „Huckleberry Crumble“ zeigt sich stark inspiriert von AEROSMITH und mit „Hickory Dichotomy“ gibt es rockigen Country. Spätestens hier wäre man dann auch bei der Hauptausrichtung des Albums angelangt: Die immer wieder wandlungsfähige Band konzentriert sich nämlich nach ihrer Wiedergeburt stark auf 60s-Rock (in manchen Momenten scheint T-REX durch) mit leicht psychedelischen Momenten und Soli, wie man sie von früher kennt, und dazu eben Country und Elemente des Southern Rock. Das bei STP auch immer ein kleiner Hauch der Beatles mitschwingt, zeigt sich bei „Dare If You Dare“, auch wenn die Einflüsse nicht zu deutlich hervortreten, wie das manch andere Ohren herausgehört haben wollen.
Einen zweiten deutlichen Ausbruch aus dem Country-Kanon gibt es dann mit „Cinnamon“, welches sehr brit-poppig klingt, und wohl auch nicht von ungefähr gleich in den ersten Noten des Einstiegsriffs COLDPLAY zitiert, auch wenn generell deutlich ältere Bands für diesen Song Pate gestanden haben dürften.
„Hazy Daze“ ist ein schönes Beispiel dafür, was auch schon bei früheren STP-Songs zu hören war: An der Oberfläche, auf den ersten Eindruck mögen sie vielleicht gar nicht so wehmütig und melancholisch erscheinen, schaut man aber darunter, zeigt sich eine weitaus tiefgreifendere Gestalt, in diesem Fall die schwierige Beziehung zwischen Weiland und seinem Vater. Einen ganz ähnlichen Kontrast zwischen scheinbar positiven Melodien und düsteren Themen gibt es auch bei „Bagman“. Weiland konnte die DeLeos immer wieder mit seinen Interpretationen ihrer Melodien überraschen, und auch der Hörer darf mal wieder eine beachtliche Leistung dieser unverkennbaren Stimme bewundern.
Das nächste Stück heißt übrigens „Peacoat“, und vielleicht wundert sich der Leser schon über die komischen Songtitel. Denn liest man die Lyrics, stellt man fest, dass sie eigentlich überhaupt nichts damit zu tun haben. Laut Band haben diese vormaligen Arbeitstitel aber immer so gut gepasst, dass sie es einfach dabei belassen haben.
Das letzte Viertel des Albums bietet mit „Fast As I Can“ den schnellsten Song und groovige Country Licks, und auch „First Kiss on Mars“ und das schön arrangierte „Maver“ gehen nochmal voll auf Country-Kurs.
Was bedeutet „Stone Temple Pilots“ nun für die Rockwelt, was bedeutet sie für die einzelnen Fans? Zunächst kann man wohl sagen, dass STP damit überraschen, eigentlich keine Überraschung abgeliefert zu haben. Führt man sich noch einmal „Core“, „Purple“, „Tiny Music…“ und deren Nachfolger vor Augen, dann muss man feststellen, dass sich diese einzigartige Rockband nie wiederholt und immer wieder neu erfunden hat. Sie sind nie einem speziellen Sound verhaftet geblieben und haben immer wieder neue Wege beschritten, neue Elemente in ihre Musik einfließen lassen – so auch auf diesem Album. Ich will mich allerdings nicht so weit aus dem Fenster lehnen wie andere, die gleich wieder Rocklegenden zum Vergleich bestellen und Begriffe wie „Album des Jahrzehnts“ auspacken müssen. Ein feines Album ist es sicherlich, doch von alten Glanztaten sind sie doch ein Stück entfernt. Und damit meine ich nicht, dass sie ihre alten Hits aufwärmen sollen, sondern Songs schreiben, die zwar ein neues Gewand tragen, aber ebenso stark sind – und genau das fehlt mir, auch wenn die zwölf Stücke nach einigen Durchläufen ziemlich gewachsen sind.
„Stone Temple Pilots“ erscheint übrigens auch als Special Edition im Digipak mit einigen Bonustracks.
Sehr gutes Review! Ich hätte es kaum besser ausdrücken können, und das obwohl mir die Piloten seit dem Debüt am Herzen liegen. Ein gutes, aber nicht zwingendes Album.