Elf lange Jahre sind vergangen, seitdem sich unser heutiger Chefredakteur mit dem letzten Album „Katharsis“ (2009) der deutschen Avantgarde-Black-Metaller STILLERS TOD beschäftigte. Auch die weiteren Veröffentlichungen der Band, eine Split mit SEELENSCHNITT (2011) und die EP „Vorboten Abraxas‘“ (2013) liefen über den Schreibtisch des Chefs.
Goethe, DORNENREICH und Dark Wave – STILLERS TOD verarbeiten mannigfaltig
STILLERS TOD waren immer schon ein wenig anders. „Jupiter“ findet in diesem Kontext eine vollständig eigene Ausdruckskraft. Frühe DORNENREICH, viel Black Metal und obskurer Avantgarde-Metal beschreiben dieses Spektrum nur unzureichend. Das funktioniert oftmals ganz hervorragend, wie im Opener „Angstbeißer“, ein Stück welches Freunde von „Bitter Ist’s Dem Tod Zu Dienen“ (1999) abholt. Anderes Beispiel. Im folgenden „Erlkönig“, natürlich eine Goethe-Adaption, wird hinsichtlich des Gesangs die experimentelle Absonderlichkeit auf die Spitze getrieben und STILLERS TOD verlieren den Hörer etwas im Dickicht.
Die sehr verschiedenen stimmlichen Ausdrucksformen des Albums sind grundsätzlich der wesentliche Punkt, an dem sich die Geister scheiden. Die Vocals auf „Jupiter“ mäandern zwischen treibendem Black-Metal-Gesang und einem Ausdruck, der an alte GOETHES ERBEN erinnert. Ebenso tendiert das sehr ambitionierte Konzept nebst Texten in Richtung dieser wichtigen Band der deutschen Dark Wave-Szene:
Blickt in die Tiefe des sinnlichen Grals
Stürzt in den Abgrund des Verlangens
Im Zeichen der Dämm’rung, des Muttermals.
„Jupiter“ ist prall angefüllt mit solchen großen Gesten, schwerer Lyrik und beinahe überfrachtet mit musikalischen Elementen. Klar, das Album wurde von Bandkopf Kargáist in mehrjähriger Arbeit erdacht und konzipiert. Eine Eintagsfliege ist „Jupiter“ nicht und auch nicht zwischen Suppe und Kartoffeln entstanden. Ebenso sollte es gehört werden.
Schwere Kost für eine kleine Zielgruppe – „Jupiter“ ist ein Nischenprodukt
„Jupiter“ erscheint als äußerst hübsches Digipack im DVD-Format und als Doppel-LP. Die Limitierung ist mit 100 bzw. 250 handnummerierten Exemplaren elitär, bildet für dieses ungewöhnliche Album allerdings eine realistische Zielgruppe ab. Wer keine Angst vor Kunst, Lyrik, Konzeptalben und Avantgarde Black Metal hat, kann STILLERS TOD ein Ohr leihen.
Das ziemlich peinliche Video zu „Angstbeißer“ animiert nicht unbedingt, in den Rest hineinzuhören. Habe es dann doch getan und bin nun etwas ratlos. Manche Passagen klingen ganz angenehm, an anderen Stellen wirkt alles etwas willkürlich zusammengebastelt, mit klebrigen Synthies zugekleistert, mit generischem Drumcomputer und peinlichem Gesang garniert. Warum man den Erlkönig neu vertonen muss, erschließt sich mir auch nicht. Streckenweise findet man dann doch ganz gute Passagen, generell verhageln mir Gesang und Drumcomputer das Erlebnis doch deutlich.
Die Musik gefällt mir ganz gut, textlich und der Gesang fügen sich gut in das Klangbild ein. Manche Synthies empfinde ich als störend und das Video ist peinlich. Vielleicht mit Absicht peinlich?! Das weiß nur der Künstler. Insgesamt trotzdem sympathisch und 7 Punkte auf alle Fälle wert.
An den Rezensenten: Ich würde eher einen Vergleich mit Grabnebelfürsten anstatt mit Dornenreich vorziehen.