Stilla - Ensamhetens Andar

Review

Ein phänomenaler Veröffentlichungsrhythmus

Manche Bands sind Phänomene: Nicht einmal ein ganzes Jahr nachdem ihr Erstlingswerk „Till Stilla Falla“ via Nordvis Produktion das Licht der Welt erblickte, ohne dass eine Demo, eine EP oder eine Split vorweggeschickt worden war, veröffentlichen STILLA bereits ihr zweites Album „Ensamhetens Andar“. Bedenkt man, dass sich andere Bands für dieselbe Anzahl an Veröffentlichungen bis zu drei Jahre Zeit nehmen dürfen, ohne dass die Fans meckern, ist allein das schon bemerkenswert. Was an STILLA jedoch wirklich phänomenal ist, ist nicht, dass sie nicht einmal ein Jahr für das Zweitwerk gebraucht haben, sondern dass sie das zweite Mal in kürzester Zeit ein Album aufgenommen haben, das das Potenzial zum Klassiker hat.

Gut, geschenkt: Da es sich bei STILLA fast um so etwas wie ein Allstarprojekt des schwedischen, naturverbundenen und melodischen Black Metals handelt (die Mitglieder sind auch bei solch klangvollen Namen wie BERGRAVEN, DE ARMA, LIK, LÖNNDOM und diversen weiteren Bands tätig), haben vorher wohl wenige damit gerechnet, dass das Ergebnis ein wahrer Griff ins Klo sein würde. Wenn aber eine Band gleich zweimal in so kurzem Abstand nicht nur ein gutes und auch nicht „nur“ ein sehr gutes Album aufnimmt, wie es die Schweden mit „Ensamhetens Andar“ getan haben, dann darf man trotzdem von einer bemerkenswerten Leistung sprechen.

Von Stiltreue und Weiterentwicklung

Die Kunst daran, über mehrere Jahre und Alben ein hohes Niveau zu halten, mag für so manchen darin bestehen, sich immer wieder neu zu erfinden und auf jeder Veröffentlichung anders zu klingen. STILLA jedoch wählen einen anderen Weg und gehen quasi durch die Mitte, denn mit „Ensamhetens Andar“ haben sie das Kunststück vollbracht, ein Album aufzunehmen, das ziemlich genau so klingt wie „Till Stilla Falla“, aber doch grundlegend anders ist. Es scheint, man habe sich abermals in die Hütte verkrochen, die das Cover des Erstlings schmückt, habe sich ein paar Mal „Till Stilla Falla“ (und diverse Klassiker des norwegischen Black Metals) angehört und mit diesem Eindruck im Hinterkopf ein Album geschrieben, welches darauf aufbaut, aber mit dem Drang, dennoch nicht vorhersehbar zu sein, nicht in die mittlerweile bekannten Muster zu verfallen, nicht das zu tun, was man bereits getan hat.

Und so klingt auch „Ensamhetens Andar“ wieder wie von jemandem, der in den Neunzigern in Norwegen ins Koma gefallen ist, heute wieder aufwacht und ein Album aufnimmt – mit heutigen Mitteln und Wissen, aber mit dem Spirit von früher. Noch immer ist der einzige so richtig passende Vergleich „For Kunsten Maa Vi Evig Vike“ von KVIST, während Namen wie ISVIND, BURZUM oder TULUS zwar im Raum schweben, sich aber nur gelegentlich nach vorne drängeln. Schließlich war es schon auf dem Debüt STILLAs Stärke, nicht einfach nur alten Black Metal nachzuspielen, sondern dessen Grenzen zu überschreiten, ihn weiterzudenken und damit am Ende im 21. Jahrhundert anzukommen, ohne so wirklich nach dem 21. Jahrhundert zu klingen.

Black Metal ohne Schranken, aber mit selbstgesteckten Grenzmarkierungen

Damit bieten uns STILLA auch 2014 wieder Black Metal ohne Schranken, aber mit eigens gesetzten Grenzen: verschrobene, aber melodische Gitarren, die grundsätzlich alles dürfen und immer dann, wenn man meint, ein Riff, einen Song, eine Struktur durchschaut zu haben, mit der nächsten unerwarteten Überraschung daherkommen. Ein Bass, der zunächst scheinbar macht, was er will, sich letztlich aber perfekt in das Gesamtbild einfügt. Ein Schlagzeug, dessen Stärke darin besteht, sich angenehm zurückzuhalten und dem ganzen Soundwandwahnsinn, der aktuell en vogue ist, den Rücken zuzudrehen, das aber dennoch Diversität und Abwechslung zeigt, wie es heute nur noch wenige Black-Metal-Schlagzeuger zu tun vermögen (oder tun wollen). Und halb über, halb neben all dem die charakteristische Stimme A. Pettersons, die nicht im Mittelpunkt stehen, sondern lediglich die instrumentale Seite ergänzen, ja, selber „nur“ ein weiteres Instrument sein will, aber letztlich wegen ihres Charismas dennoch einen sehr wichtigen Platz im Klangbild des Albums einnimmt.

Gut, besser, am besten?

Höhepunkte hervorzuheben ist schwierig, denn – das mag abgedroschen klingen, ist aber so – jeder einzelne der sieben Songs auf „Ensamhetens Andar“ hat seinen eigenen Charakter, seine eigenen Stärken und seine eigenen Höhepunkte, während es keine Tiefpunkte gibt, die dem Verfasser dieser Zeilen nach sieben oder acht Hördurchgängen aufgefallen wären. Ein Höhepunkt, der über das komplette Album immer wieder auftaucht, mal hier, mal dort, ist der Klargesang, der sich gegenüber dem auf dem Debüt noch ein Stückchen durch seine erweiterte Eigenständigkeit und Eindringlichkeit abhebt. Die nur scheinbar unbedachten Wechsel von melodisch-atmosphärisch zu schnell und leicht rumpelig, die teils abrupten Anfänge und Schlüsse der Songs mögen hingegen für manchen als Kritikpunkt durchgehen, aber letztlich tragen diese Dinge nur dazu bei, dass die Unberechenbarkeit und der irgendwo naive Charme des Albums beibehalten bleiben.

Und so bleibt unter dem Strich was stehen? Dass STILLA mit „Ensamhetens Andar“ ein Album gelungen ist, welches Fans des Debüts rundum zufriedenstellen sollte, aber trotzdem eine Weiterentwicklung darstellt. Dass ihnen ein Album gelungen ist, welches an Unvorhersehbarkeit, aber auch an emotionaler und atmosphärischer Intensität im Bereich des aktuelleren Black Metals unübertroffen ist. Dass ihnen ein Album gelungen ist, welches äußerst klug komponiert wurde, aber dennoch zu keiner Sekunde kopflastig wirkt. Und dass ihnen ein Album gelungen ist, welches besser ist als das allermeiste andere, was in den letzten Jahren im Black Metal veröffentlicht wurde – und das schließt viele sehr gute Alben ein. Trotz allen Haderns und Nochmal-darüber-Nachdenkens, das dieser Wertungsbereich mit sich bringt: Eigentlich kommt für „Ensamhetens Andar“ nur eine Note in Frage.

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02.02.2014

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2 Kommentare zu Stilla - Ensamhetens Andar

  1. Anton Kostudis sagt:

    Kurz-Fazit nach einem Durchlauf von „Till Slutet“: Atmosphärisch absolut bemerkenswert und tonal äußerst spannend, was die Herren da veranstalten. Mit dem Gesang habe ich etwas Mühe, wirklich kritisch sehe ich allerdings den Klampfensound. Das geht besser – auch und vor allem für so eine Art von Album.

  2. maks sagt:

    wahnsinnsalbum. irre atmosphäre.für mich am ehesten zu beschreiben, mit dem besten beider welten von der kunst der atmosphärischen verdichtung burzums und der zügellosen, besessenen dunklen musik früher watain .10/10

    danke an euch, nach hail spirit noir, die zweite grosse entdeckung dieses jahres, die ich dank euch machen konnte.