Stellar Circuits - Sight To Sound

Review

Soundcheck Juni 2023# 15

Mit gerade mal ihrem zweiten Album segeln die US-Amerikaner STELLAR CIRCUITS bereits unter den Fittichen von Nuclear Blast und der Waschzettel umschreibt das zweite Full-Length-Album dergestalt, als hätten die noch recht blutjungen Kerle mit ihrem viszeralen, intellektuellen, groovenden, technischen und melodiösen (sic!) Sound schon eine massive Entwicklung hinter sich gebracht. So etwas ist immer verdächtig, gerade wenn besagte Presseinfo nicht müde wird, das zu besprechende Album als das nächste große Ding im Prog abzufeiern. Das heißt erfahrungsgemäß üblicherweise, dass hierhinter Metalcore mit Djent-artigen Riffs steckt. Und siehe da: So weit entfernt liegt man bei den Jungens aus North Carolina nicht mit dieser Ferndiagnose, auch wenn sie in der Tat hörbar Bands wie HAKEN, CALIGULA’S HORSE und WHEEL, möglicherweise auch eine Ecke LIZZARD, klanglich verinnerlicht haben.

Sind STELLAR CIRCUITS ein Modern Metal-Wolf im Prog-Schafspelz?

Dennoch sind die gegenständlichen US-Amerikaner mehr auf der Modern Metal-Seite des Spektrums beheimatet. Das muss nichts schlechtes sein, schließlich legt das eröffnende „Catch Your Death“ überzeugend los mit über loopenden Tapping-Licks gelayertem Sprechgesang, unter den sich langsam der Kreischgesang von Ben Beddick legt, nur um die Überhand zu gewinnen. Wenn „Sight To Sound“ also diese songschreiberische Brillanz beibehalten würde, hätten sie sich die stehenden Ovationen der Presseinfo auch diesseitig verdient. Aber leider vergeigen US-Amerikaner die Steilvorlage, die sie sich selbst gegeben haben, mit einer kraft-, farb- und damit vollkommen nutzlosen Hook, der jegliche Dynamik fehlt. Sie zielt ganz klar auf eine Gesangsarabeske á la Ross Jennings ab, es fehlt aber das Volumen und der Soul.

Und noch etwas, zu Beginn ist es zugegeben noch einigermaßen subtil: Ich bin mir sicher, dass hier Autotune im Spiel ist, denn so blitzblank poliert, clean und gleichförmig klingt keine Stimme, und wenn sie noch so treffsicher sein sollte. Und wenn es einmal auffällt, ist es extrem schwer, wegzuhören und ruiniert so ziemlich jeden Versuch einer Hook mit Ausnahme von vielleicht dem Ende von „Skull Beneath The Smile“, wo sich Beddick mal wirklich zu bis dahin (und hiernach) ungehörter Dramatik aufschwingt. Über den Rest der Zeit wird selten ein Versuch unternommen, die gesangliche Sterilität mit irgendwelcher Theatralik zu übertünchen. Es ist nicht gesagt, dass die Stimme tatsächlich prozessiert ist, aber die Indizien sind da. Man höre sich nur mal den Rausschmeißer „Where Were You“ genau an. Da stecken weder Seele noch Dynamik drin, der komplette Song klingt wie ein einziges, zusammen gepapptes Modern-Metal-Klischee, so als wollte ChatGPT ein neues SKYHARBOR-Album intonieren.

Die US-Amerikaner hadern noch mit ihrer Unentschlossenheit und Seelenlosigkeit

Die Instrumentalfraktion reißt es leider nur bedingt raus, rettet das Album immerhin gerade so ins qualitative Mittelfeld. Technisch kann man den Herren keine Vorwürfe machen, aber man spürt, dass da noch reichlich Luft nach oben ist. In welche Richtung ist halt die Frage. Entweder fehlt der Elan, sodass die Jungs in Sachen Härte und Griffigkeit drauflegen sollten, was möglicherweise auch das Problem mit dem egalen Gesang in den Griff kriegen oder zumindest ausgleichen könnte. Oder aber man möchte sich eher auf der feinfühligeren Seite niederlassen, wofür sich STELLAR CIRCUITS ebenfalls ein passables Fundament zusammengestellt haben, was aber auch noch weiter ergründet werden möchte. In diesem Falle MUSS der Gesang fernab der Shouts aber besser und authentischer werden. Das Quartett versteckt sich da noch ein bisschen zu sehr zwischen diesen Stühlen bzw. hinter ihrem (vermeintlichen?) digitalen Schutzwall.

Diese Unentschlossenheit in Kombination mit dem angesprochenen Element der Seelenlosigkeit machen „Sight To Sound“ leider nur sehr bedingt empfehlenswert. Es ist sicher einen Hör wert für all jene, die von der modernen Schule des Prog nicht genug bekommen können und langfristig haben STELLAR CIRCUITS sicher das Zeug, um sich in die Reihen von MONUMENTS, DISCONNECTED und Konsorten einzugliedern. Im Augenblick sieht unsereins eben massiven Handlungsbedarf in der Handhabe der Vocals und der kaum vorhandenen Dynamik der Songs, bei der ein allgegenwärtiger Gleichklang den Finger über weite Strecken des Albums bedrohlich über der Skip-Taste schweben lässt. Immerhin ist es keine dieser zu Tode produzierten Pop-Metal-Ausgeburten aus dem Höllenkreis der Musikindustrie. Zurück ans Zeichenbrett möchte ich die US-Amerikaner hiermit aber dennoch beordert wissen.

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20.06.2023

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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