Fans, man glaubt es kaum, gibt es nicht nur im Metal-Genre, sondern in der gesamten Welt der Musik. Wenn Autorin Stefanie Maar jedoch in der Einleitung ankündigt, dass in ihrem Buch „Fansegmentation und Fanpsychologie“ vor allem die Fans von GLASPERLENSPIEL, CASPER und LENA fokussiert werden, muss man als Redakteur bei metal.de einmal kurz durchatmen. Doch das Buch bietet viele allgemeine Erkenntnisse, die durchaus interessant sind und zur Reflexion des eigenen Fan-Verhaltens einladen.
Dass „ein genereller Schluss auf Fans, unabhängig von Genre, Zielgruppe und Land […] nicht möglich ist“, räumt die Autorin bereits zu Beginn ein, versucht aber dennoch, sich dem Thema „Fantum“ und dessen wissenschaftlicher Einordnung zu nähern. Dazu hat sie mit Fans der oben genannten Bands gesprochen und die Interviews in der Hinsicht ausgewertet, wie sie fünf vorangestellte Thesen stützen.
Fünf Thesen über „Fansegmentation und Fanpsychologie“
Erstens haben hoch-involvierte Fans eine Form passiver Beziehungsangst, fühlen sich also von unerreichbaren Personen angezogen, die sie als Projektionsfläche ihrer Ideale verwenden können. Das gibt es auch im Metal; als ein Beispiel sei der klischeebildende Kult um MAYHEM-Sänger Dead zu nennen, der als Verstorbener extrem unerreichbar ist und den Deutungen seiner Person somit nichts mehr entgegnen kann.
Zweitens verfügen hoch-involvierte Fans über eine „soziale Ängstlichkeit“, finden in der Fangemeinschaft leichter Zugang als in der Verwandtschaft oder anderen sozialen Gruppen und fühlen sich daraus folgend dem gemeinsamen Objekt des Fantums stärker verbunden. Drittens besitzen hoch-involvierte Fans einen gewissenhaften Persönlichkeitstyp, sind also aufgabenorientiert und entsprechend häufig in Fan-Projekten zu finden. Fanclubs, Fanzines und Blogs bieten solche Aktionsmöglichkeiten, die quer durch die gesamte Metalszene zu finden sind.
Daran schließt viertens an, dass hoch-involvierte Fans im Fantum ihren eigenen Narzissmus ausleben, auf die verehrte Band also auch ihr eigenes „Ich-Ideal“ übertragen. Auch hierzu finden sich Beispiele in der Metalwelt, unter anderem im Black Metal und Glam Metal, in dem einige Fans sich in einer identitären Nähe zu den Musiker*innen sehen. Fünftens ist das Fantum für hoch-involvierte Fans eine Form des Eskapismus. Wer sich seiner Umwelt sonst nur schwer anpassen kann, findet im Fantum eine dauerhafte Alternative zum Alltag, was viele Metalfans sicher nachvollziehen können, die sich beim Hören der Musik oder dem Besuch von Festivals in eine ihren idealen entsprechende Umgebung begeben können.
Es fehlt an zusammenfassenden Darstellungen
Stefanie Maar prüft die fünf Thesen im folgenden anhand der mit Fans geführten Interviews. Zwischenzeitlich ist es dabei schwer, die Einordnung der Befragten in Fanatics, Enthusiasts, Advocates und Consumer nachzuvollziehen, da diese Begriffe inhaltlich nicht klar definiert und konsequent werden. Zwar wird die Einteilung anhand der in den Interviews gegebenen Antworten wissenschaftlich begründet, aber ihre Folgen nicht griffig dargestellt.
Generell fehlt es den Auswertungen an inhaltlich schlüssigen Fazits. Welche Prozentsätze der Befragten die jeweilige These stützen, gibt zwar einen numerischen Eindruck, welche Erkenntnis sich daraus ableitet, wird aber nicht ausformuliert. Dies wird den Lesenden überlassen, eine kritische Zusammenfassung der Zahlen vonseiten der Autorin wäre aber für das Verständnis der Ergebnisse enorm hilfreich gewesen.
Ein guter Einblick in die Welt des Influencer-Marketings
Ergänzt wird das Buch um einige Kapitel zur Rolle von „Fans als Influencer im Musikvermarktungsprozess“. Metalheads, die viel im Netz unterwegs sind, haben in diesem Punkt sicherlich bestimmte Youtube-Kanäle und Blogs im Hinterkopf, in denen das Fantum der Creator die Botschaft des Contents prägt. Wieder wird anhand von Interviews geprüft, wie es generell mit der Empfehlungsbereitschaft von Fans aussieht und wie sich diese im Marketing nutzen lässt.
Dieser Teil des Buches unterscheidet sich deutlich von den Kapiteln zur „Fansegmentation und Fanpsychologie“. Entstanden diese aus der Bachelor-Arbeit der Autorin, sind die Kapitel zur Rolle von „Fans als Influencer im Musikvermarktungsprozess“ zur Veröffentlichung des Buchs im Nomos Verlag geschrieben worden. Der Autorin gelingt es in ihnen deutlich besser, bestimmte Begriffe zu definieren und ihre Erkenntnisse nachvollziehbar zusammenzufassen.
Das Fachpublikum findet spannende Daten
Insofern hinterlässt der Band einen zwiespältigen Eindruck. Während der erste Teil mit seinen fünf Thesen durchaus interessante Ansatzpunkte zur Untersuchung des Fantums präsentiert, die Erkenntnisse der Auswertung aber nicht auf den Punkt bringt, findet sich in der zweiten Hälfte eine profunde Aufarbeitung zum nicht minder spannenden Thema, wie sich Fans als Akteure und Konsumenten im Marketing der Bands wiederfinden.
Wer sich also selbst der Erforschung von „Fansegmentation und Fanpsychologie“ (vielleicht ja speziell innerhalb der Metal-Szene) findet also vor allem Zahlen, Impulse und Anknüpfungspunkte, die für das Laienpublikum aber nicht immer nachzuvollziehen sind. Wer sich für das Thema „Fans als Influencer im Musikvermarktungsprozess“ interessiert, findet – auch als Laie – einen lesenswerten Einstieg.
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