„Kaum hatte sie aber die Spindel angerührt, so ging der Zauberspruch in Erfüllung, und sie stach sich damit in den Finger. In dem Augenblick aber, wo sie den Stich empfand, fiel sie auf das Bett nieder, das da stand, und lag in einem tiefen Schlaf. Und dieser Schlaf verbreitete sich über das ganze Schloss: der König und die Königin, die eben heimgekommen waren und in den Saal getreten waren, fingen an einzuschlafen, und der ganze Hofstaat mit ihnen.“
Dornröschen ist als Märchen allgemein bekannt. Die junge Königstochter wird von der enttäuschten Frau, die nicht an der Feier teilnehmen durfte, verflucht, fällt für 100 Jahre in einen tiefen Schlaf, bis letztlich ein junger Prinz sie wach küsst. Klar ist das absolut kitschig, passt aber gleich auf zwei Ebenen zu der Platte „Song Of Times“. Bei dem Märchen fühle ich mich glatt an meine Kindheit erinnert, tun wahrscheinlich viele hier. Das Interessante ist, dass dies bei der Band STARCASTLE bei dem ein oder anderen Leser gehobenen Alters auch durchaus der Fall sein mag, da es für diese keine passendere Bezeichnung als „alte Hasen“ geben könne. Die zweite Gleichheit ist noch viel faszinierender: brauchte die junge Prinzessin 100 Jahre und einen Schmatzer, brauchten STARCASTLE fast 30 Jahre und einen Todesfall, um wieder zu erwachen. 30 Jahre, da ihr letztes Studioalbum 1978 erschien, einen Todesfall, da 2004 der treibende Kopf und Bassist Gary Strater verstarb. Das Album entstand allerdings noch mit ihm am Viersaiter, wahrscheinlich ist das späte Erscheinen der Aufnahmen auf seinen Tod zurückzuführen.
„Song Of Times“ ist Anachronismus in Reinkultur, um den Hauptinhalt des Albums gleich vorweg zu nehmen. Die Band hat nicht nur 29 Jahre geruht, sondern scheinbar auch jedwede Entwicklung der Musik verschlafen. Das fängt an bei dem Promosheet, auf dem man die Band mit Frisuren bestaunen darf, für die die Beschreibung, sie seien heutzutage selten anzutreffen, absolut untertrieben wäre. Auch musikalisch hat sich nicht viel verändert: STARCASTLE spielen immer noch griffigen Rock, bei dem immer noch AOR-Anleihen aufblitzen. Die Songstrukturen sind zumeist gar nicht so proggy, wie man es anfangs annehmen darf. Die Stücke sind zu großen Teilen relativ zugänglich komponiert, weisen aber immer wieder vertrackte Passagen auf, die dann auch den Proghunger stillen. Nur leichte Kost gibt es somit also auch nicht; in „Babylon“ etwa hat man einen spannenden Instrumentalteil eingewoben, der sich mit seiner Rhythmik doch vom Einfach-mal-Hören-Rock abhebt. Richtig anspruchsvoll geht man auch auf „Islands“ zu Werke. Cooles Tempo, coole Nummer!
Was auf dem Album ganz klar hervor sticht, ist der Bass des eingangs erwähnten Gary Straters. Gnadenlos gut spielt der Mann seine Basslines herunter und konstruiert dabei ein einwandfreies, rhythmisches Fundament. Was mir leider absolut nicht gefällt, ist der Gesang. Meiner Ansicht nach sollten Männer ihre Stimme generell nicht in Regionen abstreifen lassen, die dem Falsett schon sehr nahe sind. Hinzu kommt dann noch, dass er der Gesamtstimmung einfach nicht so richtig zuträglich wird.
Kommen wir zum Fazit. Irgendwie klingt die Band immer noch nach YES. Nicht, dass ich die Alben damals gekannt hätte. Wie auch? Beim Hören heute macht sich das aber stark bemerkbar. Zwar sind die Songaufbauten teilweise doch sehr verschieden, doch ist Musiktheorie ja nur die eine Hälfte. Des Eindrucks eines Hybriden von YES mit etwas AOR-Zuschuss und dazu die Eigeninitiative von STARCASTLE, kann ich mich nicht verwehren.
„Song Of Times“ ist wohl ein Muss für alle alten Progfans, die die Band damals schon gut fanden oder für solche, die sich schon immer eine Platte für ihre Sammlung wünschten, die neben Vaters CDs von ELP, GENESIS, YES und KING CRIMSON nicht alt aussieht. Also, irgendwie schon, aber das ist ja auch ein heikles Thema.
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