Es gibt Momente, in denen glaubt man, alles schon gehört zu haben, was es in einem bestimmten Genre zu entdecken gibt. Aber dann kommt plötzlich eine Band wie STANDING OVATION daher und überrollt einen mit ihrer Extraportion Frische und Innovationslust – und das obwohl sie eigentlich nichts grundsätzlich anders machen als andere Prog-Bands.
Oberflächlich betrachtet ist „The Antikythera Mechanism“ (wer mehr über das archäologische Fundstück wissen möchte, nach dem die Band ihr Albumdebüt benannt hat, möge bitte die Wikipedia konsultieren…) ein recht gewöhnliches Prog-Metal-Album. Verschachtelte Songstrukturen und anspruchsvolle Instrumental-Passagen mit ausladenden Keyboard/Gitarre-Duellen prägen das Klangbild. Doch ihr feines Gespür für starke Melodien, die nie zu simpel wirken, lässt sie aus der Masse hervorstechen. Und jene Melodien sind es, die immer dann das Ruder herumreißen, wenn man zu befürchten beginnt, dass sich die Jungs gleich in Instrumental-Gefrickel verzetteln könnten.
Das Resultat sind Songs, deren Vielschichtigkeit mit einem erstaunlich hohen Maß an Eingängigkeit einhergeht. Dazu trägt insbesondere auch der charismatische Gesang von Jouni Partanen einen wichtigen Teil bei, der hervorragend zu den durchdachten, aber sprachlich überraschend bodenständigen und dadurch leicht verständlichen Texten passt. Immer wieder blitzt hier der feine Sinn für Humor durch und macht nicht zuletzt „I Have Superhuman Powers“ als Hymne an die kindliche Vorstellungskraft zum absoluten Highlight der Scheibe.
Letztlich ist es aber die Emotionalität, mit der STANDING OVATION glänzen können, wo andere Prog-Bands sich meist eher schwer tun. Während in der ersten Albumhälfte Stücke wie „Travesty“ oder das betont abweisende „Hemorrhage“ noch leichte Schwierigkeiten haben, sich im Herzen des Zuhörers einzunisten, nimmt die emotionale Reise zum Ende hin immer mehr an Fahrt auf. Auf das bereits erwähnte „I Have Superhuman Powers“ folgt mit „Break The News“ ein Stück, das als sanfte Piano-Ballade beginnt und sich immer weiter zu einem befreienden Aufschrei für mehr gelebten Optimismus entwickelt.
Den Abschluss bildet dann der dreigeteilte Titeltrack, ein zwanzigminütiges Epos, das geschickt in eine Fantasy/Science-Fiction-Geschichte verpackt einen Ausblick auf die Zukunft der Menschheit wagt. Und auch hier setzt sich letztlich der Optimismus durch, was den Gesamtcharakter der Scheibe als absolute Wohlfühl-Kur für die geplagte Progger-Seele unterstreicht. Somit bleibt mir als abschließende Reaktion auf dieses bärenstarke Debütalbum nur noch, die im Bandnamen implizierte Forderung in die Tat umzusetzen: Stehende Ovationen für STANDING OVATION!
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