Spock's Beard - Spock's Beard

Review

Kochen. Kochen ist wohl allgemein ein sehr gutes Bild, wenn wir von Musik sprechen. Auf der einen Seite bedarf es eines gewissen Arbeitsaufwands, um sein Gericht zu vollenden, auf der anderen hängt das ganze sehr mit Genuss zusammen. Worauf es bei der Vollendung des Werkes ankommt, und was dabei herauskommt zählt, ist eindeutig die Zubereitung. Kurzum: Die richtige Mischung machts. Bei Musik ist das kaum anders; ich kann mich als Künstler entweder dazu entscheiden, dem Hörer musikalische Pommes, eventuell mit Mayonnaise, vorzusetzen und dabei altbekanntes neu zu erwärmen oder aber ich versuche, eine völlig neues Musikgericht zu kreieren – aus der Mischung tausender Gewürze, die vorher in dieser Konstellation nicht auftauchten, kann dann ein Meisterwerk entstehen. Oder eben ein ungenießbarer Brei; Kaffee und Bier würde man ja auch nicht mischen, obdenn beides einzeln wirklich schmeckt.

Die Köche von SPOCK’S BEARD sind mit ihrem neusten Menü – dem selbstbetitelten, nunmehr zehnten, Album – den Weg des Mischens gegangen. Zwar wagen sie sich nicht an nie zuvor getestet, doch schaffen sie es, hier und da bereits bekannte Gerichte zu kreuzen und zu verfeinern. Somit ist ihr neues Album, um nun von dem Bild des Kochens wegzukommen, zwar kein absolut progressiv avantgardistischer Durchbruch, der sich nur mit Innovation betiteln ließe, wohl aber ein durchweg gelungener Mix.

Progressiver Rock ist die Basis allen Schaffens der Jungs, welcher auf dem Album in vielen seiner schillernden Facetten dargeboten wird, hinzu kommen stellenweise merkliche Einflüsse aus anderen Genres, welche das Gesamtbild abrunden, für Abwechslung sorgen und letztlich den Charme der Platte ausmachen.
SPOCK’S BEARD wagen sich mit dieser CD an komplexe Kompositionen und decken, Lied für Lied, ein weites musikalisches Spektrum ab. Das beginnt schon im Opener, welchen ich gesondert erwähne, da er für mich das packendste und schönste Lied darstellt. Schwere Basslines treffen da – was an sich schon sehr eigen ist – auf verträumte Celloklänge, ein Interludium von gleich zwei Akustikgitarren und einer Querflöte verzaubert und entführt den Hörer.
Bei den ersten Hördurchläufen stellte ich mir öfters die Frage, ob es klug war, diesen Song als Opener zu wählen, ob die Band nicht einfach zu viel Pulver gleich zu Beginn verschießt und die restlichen Songs nicht daran anknüpfen können. Nach eingehender Behandlung revidierte ich den Verdacht, auf den anderen Songs decken SPOCK’S BEARD einfach nur ganz andere Bereiche ihres musikalischen Schaffens ab. Reifliche Überlegungen führten auch zu dem Schluss, dass ein Album, welches allein das Gefühl von „On A Perfect Day“ vermittelt, wohl recht eintönig und langweilig wär. Die anderen musikalischen Bereiche sind Zeugnis von der Vielfältigkeit der Band – denn trotz der Unterschiede zwischen den Liedern ist „Spock’s Beard“ kein Sammelsurium an Songs, sondern ein zusammengehörendes, irgendwo tatsächlich homogenes Album.
Auf der Scheibe wird tatsächlich einiges geboten; wilde Instrumentals im 11/8, außergewöhnliche Rhythmiken, rockigere Nummern, typischer „Proggy-Sound“ und diverse Einflüsse völlig anderer Richtungen. Bluesrock findet sich dort in einigen ruhigeren, nachdenklichen Stücken, dann wieder findet man Elemente von Jazz, Soul und Funk.

Progressiven Dreh- und Angelpunkt des Albums stellt das in vier Teile unterteilte „As Far As The Mind Can See“ dar; das längste Stück, das mit dem höchsten Anspruch kokettiert. Da finden sich diverse Soli, nicht zuletzt auch auf der Orgel, und ein musikalischer Ausflug zwischen typischem Prog, rockigen Elementen und leicht groovigen Fragmenten.

Mit ihrem neuen Album ist SPOCK’S BEARD eine gute Veröffentlichung gelungen; es mangelt weder an Abwechslung, noch an Gefühl oder Authentizität. Schade ist, dass nicht jeder Song der Platte durch und durch hunderprozentig fesselt, zudem kommt werden bei einigen Abschnitten sehr starke Erinnerungen an andere Interpreten wach, hier und da kommt ein Melodielauf recht bekannt vor. „They Know We Know“ klingt sogar von vorne bis hinten ganz typisch nach PETER GABRIEL, stellenweise klangen auch andere Songs hier und da nach GENESIS. Eine Kaufempfehlung für alle, die entweder generell an Progressivem Rock interessiert sind oder solche, bei denen der experimentelle Cocktail Lust macht, auch einmal von der Mischung zu kosten.

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30.11.2006

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